Die Wechselwirkungen von geladenen biologischen Makromolekülen wie Nucleinsäuren, Proteinen und Polysaccharid-Protein-Konjugaten lassen sich durch künstliche Polyelektrolyte nachahmen. Solche synthetischen polyionischen Komplexe könnten Wirkstoffe, Proteine oder Nucleinsäuren stabilisieren und als Trägermaterial zu ihrem Ziel bringen. Chinesische Wissenschaftler beschreiben nun in der Zeitschrift Angewandte Chemie eine vielseitig einsetzbare, kommerziell anwendbare Strategie zur Herstellung von Polyion-Komplexaggregaten mit variierbarer Gestalt. Damit ließen sich Bibliotheken solcher niederdimensionalen, biologisch relevanten Nanostrukturen herstellen.
DNA, Proteine und die viele Polysaccharid-Konjugate sind natürliche, geladene Makromoleküle. Ihre komplexen Strukturen und besonderen Funktionen sind Voraussetzung für das zelluläre Leben. Synthetische polyionische Aggregate können die Eigenschaften von biologischen Makromoleküle nachahmen. Daher wären sie eine ideale Plattform für die Interaktion mit biologischen Strukturen. Mit ihrer variablen Form und einem speziell zugeschnittenen Ladungszustand könnten sie als aktive Trägermaterialien für Nucleinsäuren in der Gentherapie oder für den zielgerichteten Wirkstofftransport dienen. Allerdings ist die Entwicklung von solchen maßgeschneiderten synthetischen Polyion-Komplexen (PICs) nicht trivial, denn Tausende von thermodynamischen und kinetischen Faktoren beeinflussen ihre Endmorphologie und den tatsächlich eingenommenen Ladungszustand. Häufig sind Form, Reaktivität und Stabilität nicht reproduzierbar zu erreichen. Yuanli Cai und seine Kollegen an der Soochow-Universität in Suzhou (China) arbeiten daher intensiv an rational entwickelten Synthesen. Mit der Methode der „Polymerisations-induzierten elektrostatischen Selbstorganisation“ oder PIESA stellen sie nun eine kostengünstige skalierbare Synthese für niederdimensionale PICs mit variabler Morphologie vor, das für biomedizinische Zwecke verwendet werden könnte.
Für ihr Protokoll erweiterten die Autoren die Methode der „Polymerisations-induzierten Selbstorganisation“ (PISA), einer Synthesestrategie für Blockkopolymere in wässrigem Medium, indem sie ein positiv geladene Monomer in der Gegenwart eines synthetischen Polyions von entgegengesetzter Ladung und eines weiteren Makromoleküls als ungeladenen Copolymerblocks unter Einstrahlung von sichtbarem Licht polymerisierten. Das endgültige Nanomaterial bestand aus einem durch die elektrische Anziehungskraft definierten Aggregat des geladenen Polymers und der Kopolymerere. Es hatte bemerkenswerte Eigenschaften.
Je nach Festkörperkonzentration beobachteten die Autoren strukturelle Übergänge der synthetisierten PICs von der Vesikelform über kompartimentierte Vesikel bis hin zu flexiblen ultradünnen Filmen von 10 Nanometern Dicke. Je nach Lösungsmittel entstanden entweder porenreiche Filme oder sehr lange Nanodrähte, die die Probe gelieren ließen. Nach Aussage der Autoren ergibt das PIESA-Verfahren eine „hohe Reproduzierbarkeit in einem kommerziell machbaren Maßstab unter ökologisch und ökonomisch ansprechenden Bedingungen bei 25 °C“. Anders gesagt könnten komplexe Nanomaterialien mit maßgeschneiderter Morphologie und einstellbarem Ladungszustand reproduzierbar hergestellt werden. Anwendungen in der Biomedizin als Trägermaterial für DNA und andere geladene biologische Moleküle, um diese bis zum Ort ihrer Verwendung zu transportieren, kommen in Frage. Ebenso könnte eine Bibliothek von niederdimensionalen Nanomaterialien mit maßgeschneiderter Morphologie aufgebaut werden.