Aus nachhaltiger Energie gewonnene Wasserstoff wird als Grundlage gesehen, um zum einen Schwankungen in der Energieerzeugung auszugleichen oder zum anderen als Ausgangsstoff für weitere Prozesse verwendet werden kann. Daher führt die Energiewende in Deutschland zum Bau zahlreicher Anlagen zur Wasserstofferzeugung. Das Herzstück dieser Anlagen ist immer der Elektrolyseur, der den erzeugten Wasserstoff über eine Verrohrung zu den anderen Bestandteilen der Anlage führt. Die Errichter der Anlagen stehen in aller Regel vor der Herausforderung, einen Dichtheitsnachweis oder einen Nachweis über die Leckage für die Anlage vorzulegen.
Definition Technische Dichtheit:
Eine Flanschverbindung nach DIN EN 1092 gilt nach aktuellem Stand der Technik als (dauerhaft) technisch dicht, wenn ein rechnerischer Nachweis nach EN 1591–1 oder Finite-Elemente-Analyse (FEM) für eine Leckageklasse L0,01 erbracht werden kann, Dies gilt grundsätzlich auch für H2-Anwendungen. Die für die Flanschberechnung zugrunde liegenden Dichtungskennwerte werden aber normalerweise nach DIN EN 13555 mit Helium ermittelt, da Helium hinsichtlich der Größe dem Wasserstoff am nächsten kommt. Aufgrund der unterschiedlichen Werte für Viskosität und Dichte sind jedoch im Einzelfall andere Leckage-Raten zu erwarten.
Ein allgemein gültiger Umrechnungsfaktor im Vergleich zu Helium lässt sich nach heutigem Wissensstand nicht angeben, da dieser Faktor von vielen weiteren Parametern, wie den Strömungsverhältnissen, Permeations- und Adsorptionsvorgänge im Dichtungswerkstoff, abhängt.
Welche Möglichkeiten stehen unter diesen Bedingungen für einen Nachweis an Flanschen gemäß DIN EN 1092–1 bis ‑4 zur Verfügung?
Option 1: Der typbasierte Bauteilversuch zur Bestimmung der Leckagerate einer Flanschverbindung. Eine fachgerechte und qualitätskontrollierte Montage mit entsprechender Dokumentation ist Voraussetzung für einen solchen Nachweis. Diese Vorgehensweise stellt für den Anlagenbauer/Betreiber einen Mehraufwand dar und wird daher sehr wahrscheinlich nicht sehr oft zum Nachweis herangezogen werden.
Option 2: Die individuelle Messung am Flansch in der Anlage unter Betriebsbedingungen. Diese Variante repräsentiert wohl die aufwändigste Vorgehensweise, da hier mittels der Spülgasmethode die entstehenden Leckagen unter Betriebsbedingungen gemessen werden. Dafür ist es erforderlich, die zu messenden Flansche einzuhausen. Auch diese Methode stellt für den Anlagenbauer/Betreiber einen erheblichen Mehraufwand dar und wird daher sehr wahrscheinlich nicht sehr oft zum Nachweis herangezogen werden.
Option 3: Berechnung nach EN 1591–1 als der gebräuchlichste Weg zum Nachweis. Bei der Auslegung der Anlagen muss ein Festigkeitsnachweis des Flanschsystems erbracht werden. Es ist sinnvoll, den Dichtklassennachweis über eine Berechnung gemäß EN 1591–1 bzw. Finite-Elemente-Analyse (FEM) für eine Leckageklasse LN zu nutzen, da beide Methoden gemäß VDI2290 sowohl die Festigkeit der Flanschverbindung als auch die Dichtheit nachweisen. Maßgebend für die Berechnung und den Nachweis der Dichtheit in Bezug auf die Leckageklasse L sind die Kennwerte der Dichtung, wie Mindestflächenpressung im Montagezustand Qmin(L) und die Mindestflächenpressung im Betriebszustand QSmin(L) in Abhängigkeit von der Anfangsflächenpressung QA.
Die Dichtungskennwerte gemäß EN 13555 standen bisher ausschließlich aus Messungen mit Helium zur Verfügung. Es war jedoch keineswegs sicher, ob diese Kennwerte auf Wasserstoff übertragbar sind. Daher entschied sich die Klinger Dichtungstechnik dazu, für mehrere ausgewählte Faser- und PTFE-Materialien aus dem Produktsortiment Versuche gemäß DIN EN 13555 unter Verwendung des Prüfmediums Wasserstoff durchführen zu lassen, abweichend vom empfohlenen Prüfmedium Helium. Diese Versuche nahm das akkreditierte unabhängige Prüfinstitut AMTEC Messtechnischer Service vor. Ziel der Untersuchungen war eine seriöse Gegenüberstellung beider Messungen, da diese Werte für die Dichtheit und Festigkeit und damit für die Sicherheit der Flanschverbindung relevant sind.
Ergebnisse und Erkenntnisse
In vielen Fällen zeigte sich eine weitgehende Übereinstimmung der Kurven wie im Beispiel des KlingerSIL C‑4430. Es existieren aber auch Messwerte, die zeigen, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Messungen bestehen können, wie am Beispiel des Klinger top-chem 2003 zu erkennen ist. Im konkreten Fall liegt die Wasserstoffleckagekurve circa eine Zehnerpotenz unter der des Heliums.
Mit den erzielten Messergebnissen kann Klinger sowohl mit heliumbasierten als auch mit wasserstoffbasierten Dichtungskennwerten eine Berechnung nach EN 1591–1 für die Druckstufen 10 bar und 40 bar durchführen und damit die Leckageklasse in Verbindung mit der Flanschfestigkeit exakt nachweisen. Mit allen getesteten Dichtungswerkstoffen ist es möglich, die Anforderungen der TA-Luft und damit auch der DIN 3535–6 einzuhalten.
Die chemische Beständigkeit sowie der große Druck- und Temperatureinsatzbereich machen die Klinger-Dichtungsmaterialien zu einer ausgezeichneten Wahl – nicht nur in Wasserstoff erzeugenden Anlagen, sondern auch in angrenzenden Bereichen, in denen beispielsweise mit Ammoniak, Methylalkohol, oder mit Benzyltoluol gearbeitet wird. Dies eröffnet dem Anwender die Möglichkeit zur Standardisierung über viele Bereiche hinweg mit kostengünstigen, vielfach erprobten und daher äußerst zuverlässigen Dichtungslösungen.