An Industrie 4.0 führt gerade in der Zulieferindustrie kein Weg vorbei. Vernetzte Fertigung und smarte Produkte spielen eine wichtige Rolle auf der diesjährigen Industrial Supply. Wie eine moderne individualisierte Massenfertigung aussehen kann, zeigen in Halle 6 der HANNOVER MESSE 2017 die Kunststoffspezialisten Arburg und Pöppelmann. Sie demonstrieren die Herstellung eines personalisierten, smarten Kofferanhängers in fünf Stationen, wobei eine Kombination von Spritzgießen, additiver Fertigung, Automatisierung und Vernetzung zum Einsatz kommt. Auch für das internationale Technologieunternehmen ContiTech steht die zunehmende Vernetzung im Industriesektor ganz oben auf der Agenda. Der Messeauftritt des Unternehmens aus Hannover steht in diesem Jahr unter dem Motto „ContiTech.Smart Solutions Beyond Rubber“.
Die Kooperation von Arburg und Pöppelmann ist ein Brückenschlag zwischen den Leitmessen Digital Factory und Industrial Supply. Gleichzeitig steht die Performance auch symbolisch für den immer stärkeren Einzug der IT in die Zulieferindustrie. Zu sehen sein wird eine ebenso anschauliche wie wegweisende Industrie‑4.0‑Anwendung: „Smarte“ Kofferanhänger entstehen nach dem Prinzip der räumlich verteilten Fertigung in der Smart Factory. Das Exponat auf dem Arburg-Stand K16 in Halle 6 veranschaulicht die flexibel automatisierte, wirtschaftliche Produktion in Losgröße 1. Für die kundenspezifische Individualisierung des Produkts werden Spritzgießen, industrielle additive Fertigung und Automation kombiniert und die Prozessdaten über das Leitrechnersystem ALS erfasst. Heinz Gaub, Geschäftsführer Technik bei Arburg, zu den Highlights der praxisnahen 4.0‑Anwendung: „Unsere kleine Messefabrik bei Arburg sowie der zugehörige ‚Webshop‘ beim Partner Pöppelmann (Stand B18) veranschaulichen wesentliche Elemente von Industrie 4.0: die Fertigungsabfolge an räumlich getrennten Orten, die ‚Mass Customization‘ – also die kundenspezifische Individualisierung von Großserienteilen – durch Kombination von Spritzgießen und additiver Fertigung sowie die lückenlose Rückverfolgbarkeit jedes individuellen Bauteils über unser Leitrechnersystem ALS.“
In fünf Stationen zum smarten Produkt
An der ersten Station produziert eine individuelle Turnkey-Lösung, bestehend aus einem Allrounder 375 V und einer flexiblen, platzsparenden Roboterzelle mit integriertem Sechs-Achs-Roboter, das Serienteil „Kofferanhänger“. Durch die Integration eines NFC-Chip (Near Field Communication) kann das Produkt Informationen speichern und kommunizieren. Der nächste Schritt des flexiblen Herstellprozesses kann sowohl bei Arburg als auch bei der Firma Pöppelmann erfolgen: Der Besucher wählt an einem Eingabe-Terminal eine Grafik für das Design des Anhängers aus und lässt seine elektronische Visitenkarte (vCard) erstellen. Auf dem Arburg-Stand werden die Daten direkt auf den NFC-Chip des Kofferanhängers übertragen. Der Kooperationspartner Pöppelmann veranschaulicht auf seinem Stand B18 die Vorteile des 4.0‑Geschäftsmodells „Webshop“: Der Kunde gibt dort ebenfalls online seine individuellen Produktwünsche ein. Aus seiner „Bestellung“ wird ein QR-Code generiert und dieser direkt an sein Smartphone gemailt oder auf Papier ausgedruckt. Auf dem Arburg-Stand werden diese Informationen mit einem Scanner ausgelesen und die zugehörigen Auftragsdaten für den weiteren Produktionsablauf auf den NFC-Chip im Kofferanhänger übertragen. Damit wird das Bauteil selbst zum Datenträger, der sich an den einzelnen Stationen identifiziert und seinen weiteren Herstellprozess selbst steuert.
Thorsten Koldehoff, Vertriebsleiter Pöppelmann KAPSTO® erklärt: „Damit demonstrieren wir als Partner dieser Anwendung anschaulich, wie sich Kundenwünsche in die Wertschöpfung einbinden und ganz neue Geschäftsmodelle erschließen lassen.“
Prozess- und Qualitätsdaten jederzeit rückverfolgbar
Bei der folgenden individuellen Laserkennzeichnung werden die persönlichen Daten sowie die vCard in Form eines QR-Codes auf den Kofferanhänger aufgebracht. Das gesamte Teilehandling übernimmt hier ein Integralpicker V. Anschließend individualisiert ein Freeformer den Kofferanhänger weiter, indem er die an der zweiten Station ausgewählte Grafik additiv aus Kunststoff in 3D aufträgt. Aus dem Serienprodukt ist ein individuelles Unikat geworden. An der letzten Station erfahren die Besucher, wie sie mit ihrem smarten Kofferanhänger datengestützte Aktionen ausführen können, wie etwa die Online-Bestellung von Broschüren über den integrierten NFC-Chip. Zudem lassen sich über den QR-Code bzw. NFC-Chip die Kontaktdaten auslesen. Enthalten ist auch die individuelle URL-Adresse der Website des jeweiligen Produkts, über die alle Prozess- und Qualitätsdaten jederzeit zu 100 Prozent rückverfolgt werden können.
ContiTech setzt auf smarte Systeme und ganzheitliche Lösungen
„Die Digitalisierung ist eine große Chance für uns, gemeinsam mit unseren Kunden nachhaltig Mehrwert zu generieren“, sagt Hans-Jürgen Duensing, im Continental-Vorstand verantwortlich für die Division ContiTech. „Als Teil der gesamten Wertschöpfungskette können wir als Zulieferer und Industriepartner die Voraussetzungen dafür schaffen und die industrielle Infrastruktur entscheidend mitgestalten. Intelligent vernetzte Systeme, Maschinen und Anlagen ebnen dafür den Weg. Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck daran, unsere Produkte und Systeme smarter zu machen und ganzheitliche Lösungen anzubieten.“
Auf der HANNOVER MESSE stellt ContiTech (Halle 6, Stand F18) erstmals ein dauerhaft installierbares und digital vernetzbares Überwachungssystem für Stahlseilfördergurte vor. Ob über oder unter Tage, steil bergauf oder über kilometerlange Distanzen: Fördergurte sind das Herzstück in vielen Industriebranchen. Unter rauen Arbeitsbedingungen transportieren sie tonnenschwere Lasten, scharfkantige, heiße sowie öl- oder fetthaltige Güter. Hier ist der reibungslose Gurtlauf für die Wirtschaftlichkeit entscheidend. Kommt es zu einem längeren Stillstand der Anlage, bricht oft die gesamte Produktionskette zusammen. Für die Betreiber entstehen enorme Umsatzverluste. Damit Fördergurtanlagen auch bei einer hohen Auslastung langfristig störungsfrei laufen und wirtschaftlich arbeiten, setzen die Betreiber verstärkt auf Prävention. Innovative elektronische Überwachungssysteme ermöglichen es, jederzeit den genauen Zustand der Fördergurte festzustellen.
Durch RFID die Lokalisierung von Längsschlitzen optimiert
„Größere Schäden wie Längsschlitze oder Verbindungsfehler am Fördergurt können gravierende Folgen für den Anlagenbetrieb haben und schlimmstenfalls zu Totalausfällen führen“, erläutert Patrick Raffler, Anwendungstechniker bei ContiTech. „Das Überwachungssystem Conti MultiProtect hilft, solche Schäden im laufenden Betrieb frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu reparieren. Längerer Stillstand kann so vermieden werden.“ Dabei werden in das Transportband eingebettete Rip Inserts (Schlitzschutzstellen) mittels ihrer charakteristischen Magnetfelder auf Längsschlitze überprüft. Durch den Einsatz von RFID (radio-frequency identification) Chips hat ContiTech die Lokalisierung von Längsschlitzen im Gurt optimiert.
Darüber hinaus zeigt ContiTech auf der diesjährigen HANNOVER MESSE eine Weiterentwicklung der App ViProtect für iOS- und Android-Systeme. Per Smartphone analysiert sie Schwingungen an Fahrerkabinen, Motoren und anderen Industriegeräten. Zu starke Schwingungen überlasten die Bauteile – teure, zeitintensive Ausfälle und Reparaturen können die Folge sein. Gezielte Messungen helfen dabei, das Schwingungsverhalten von Industriefahrzeugen und ‑maschinen zu analysieren. Mit diesen Daten findet die App die passende Lösung und schlägt Optionen für ein geeignetes Lagerungssystem vor. Damit hilft sie, Lebensdauer und Komfort nachhaltig zu erhöhen.
Foto: Deutsche Messe