Ein Großteil der Unternehmen des Verarbeitendes Gewerbe ergreift zu wenig Schutzmaßnahmen gegen Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung – obwohl Betriebe aller Branchen potenziell bedroht sind. Zu dieser Einschätzung kommt das Fraunhofer ISI in seiner neuen Mitteilung aus der Erhebung Modernisierung der Produktion.
Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung sind eine große Bedrohung – auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) des Verarbeitenden Gewerbes. Mit der Digitalisierung ist die Menge an digital verfügbaren Informationen gestiegen, zudem haben sich die Kommunikationsprozesse vervielfältigt: Auch Maschinen und Anlagen sind zunehmend in offene Netze eingebunden. Finden Angreifer ein Leck, können sie Informationen in fast beliebiger Detailtiefe direkt über die Produktionssysteme beziehungsweise die Anlagensteuerungen abrufen. Eine Schwachstelle kann ein Unternehmen ruinieren – wenn beispielsweise Wettbewerber nach einer erfolgreichen Ausspähung das gleiche Produkt oder die gleiche Dienstleistung schneller und günstiger auf den Markt bringen.
Um herauszufinden, welche Erfahrungen Industriebetriebe gemacht haben und wie sie sich schützen, hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI im Rahmen des Projekts WiSKoS Daten der Erhebung Modernisierung der Produktion ausgewertet. Diese Erhebung wird alle drei Jahre durchgeführt und umfasst Angaben von 1.300 Produktionsbetrieben. Die jetzt erschienene Mitteilung “Spione in der Produktion. Unterschätzte Risiken führen zu unzureichendem Schutz” zeigt, dass alle Branchen des Verarbeitenden Gewerbes betroffen sind, gleichzeitig aber viele Betriebe keine ausreichenden Schutzmaßnahmen implementiert haben.
Vor allem Elektronik- und Elektroindustrie sind betroffen
Die Frage nach Vorfällen oder konkreten Verdachtsfällen zur Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung in den vergangenen fünf Jahren bejahten im Durchschnitt elf Prozent der Betriebe. Besonders betroffen sind die Elektronik-/Elektroindustrie mit fast 21 Prozent an betroffenen Betrieben, gefolgt vom Maschinenbau und der Chemie /Pharmaindustrie (beide jeweils 16 Prozent). Aber auch die anderen Branchen sind gefährdet: Im Schnitt hatten acht Prozent der Betriebe in den weniger betroffenen Branchen einen Vorfall oder konkreten Verdachtsfall zu verzeichnen.
Ein wichtiger Faktor für eine Gefährdung ist die internationale Verflechtung eines Betriebs: Unternehmen mit einer Produktionsstätte im Ausland berichten mit einem Anteil von 17 Prozent häufiger von Vorfällen beziehungsweise Verdachtsfällen als solche ohne einen Auslandsbezug (10 Prozent). Ebenso meldet jedes fünfte Unternehmen mit einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Ausland mindestens einen Vorfall oder Verdachtsfall. Bei Unternehmen, die nur im Inland forschen, liegt der Anteil bei 11 Prozent, auch sie sind also Gefahren ausgesetzt.
Beschäftigte müssen stärker eingebunden werden
Trotz des Risikos verfügen viele Betriebe nicht über relevante Schutzmaßnahmen gegen Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung:
- Nur drei Viertel der Produktinnovatoren und zwei Drittel der anderen Industriebetriebe beschränken den Zugang zum Betriebsgelände.
- Fast ebenso viele Betriebe haben Sicherheitsvorschriften gegen unerlaubten Informationsabfluss.
- Nur zwei Drittel der Produktinnovatoren und die Hälfte aller anderen Betriebe haben spezielle IT-Sicherheitsmaßnahmen.
- Im Hinblick auf die Schulung und Sensibilisierung von Beschäftigten bieten durchschnittlich nur zwei von fünf Unternehmen den Beschäftigten entsprechende Maßnahmen an.
Knapp die Hälfte aller Industriebetriebe haben keine oder zu wenige IT-Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt. Zudem werden die Beschäftigten, die oft Zugriff auf sensible Informationen haben, nicht in die Schutzmaßnahmen eingebunden. Dabei wäre vor allem letzteres entscheidend: Die Erhebung hat gezeigt, dass bei gut der Hälfte der betroffenen Betriebe auch betriebsinterne Personen an der Ausspähung beteiligt waren. Dies geschah nicht immer mit böser Absicht, sondern auch durch Unvorsichtigkeit, Fahrlässigkeit und Unwissen. Typische Beispiele sind das Öffnen kritischer E‑Mails (67 Prozent der Angriffe) und ungenügend gesicherte Smartphones oder Tablets (28 Prozent).