So ist die Prozessautomatisierung ein zentraler Aspekt der digitalen Transformation – und wird nicht mehr wegzudenken sein. Dabei zeichnen sich für die Experten von Webcon fünf Trends ab:
Trend 1: Der Siegeszug von Low-Code/No-Code-Tools
Low-Code- oder No-Code-Entwicklungsumgebungen sollen es sogenannten Citizen Developern – Mitarbeitern ohne Programmierkenntnisse – möglich machen, kleine Automatisierungen des Arbeitsalltags selbst zu programmieren. Derartige Tools sind bei vielen Anwendern beliebt, denn sie bieten Unternehmen Vorteile wie Skalierbarkeit, Sicherheit oder eine einfache Anwendungsbereitstellung. Angesichts des hohen Bedarfs nach neuen Anwendungen in Unternehmen und des gleichzeitig anhaltenden IT-Fachkräftemangels wird die Nutzung solcher Tools auch 2022 stark ansteigen – aber nicht dort, wo viele es erwarten.
Trend 2: Citizen-assisted Development auf dem Vormarsch
Unternehmen erwarten seit mehr als zehn Jahren, dass Citizen Developer, oft auch als Power User bezeichnet, anstelle von IT-Fachleuten einspringen – das geschieht allerdings nur mit begrenztem Erfolg. Denn Power User fokussieren sich bei der Anwendungsentwicklung darauf, ihre eigenen Problemstellungen zu lösen. So entstehen Applikationen, die sich nicht auf das gesamte Unternehmen skalieren lassen und nicht auf längerfristiges Wachstum ausgelegt sind. Citizen-Development-Projekte werden damit passé: An ihre Stelle tritt das Citizen-assisted Development.
Die beiden genannten Trends – die Akzeptanz von Low-Code/No-Code-Tools durch Fachleute und der Rückgang von Citizen-Development-Projekten – sind zusammenhängend zu betrachten. Das Ergebnis wird der Ansatz des Citizen-assisted Development sein: eine Methode, bei der Citizen Developer und professionelle Entwickler die gleichen Tools verwenden, um Hand in Hand mittels Rapid Prototyping an der Digitalisierung von Geschäftsprozessen zu arbeiten.
„Damit können Unternehmen Anwendungen entwickeln, die genau auf die eigenen Needs zugeschnitten sind – und das deutlich schneller und zielführender als in Citizen-Development-Projekten.“
— Philipp Erdkönig, Partner Account Manager
Trend 3: Ein Dämpfer für die Robotic Process Automation
Robotic Process Automation (RPA), also die robotergestützte Prozessautomatisierung im eigentlichen Sinne, gibt es nicht. Was die Anbieter von RPA wirklich verkaufen, ist die Automatisierung von einzelnen Aufgaben – nicht die Automatisierung eines umfassenderen Prozesses. Das heißt nicht, dass diese Technologie nicht weiterhin sehr erfolgreich sein wird; aber Unternehmen werden feststellen, dass sie zu viel von ihr verlangen. Im kommenden Jahr werden wir stattdessen vermehrt eine Kombination aus RPA und digitaler Prozessautomatisierung beobachten.
Häufiger werden wir, zum Beispiel, die Automatisierung der Datenerfassung oder des Datenabrufs in oder aus veralteten IT-Systemen oder anderen Informationsquellen mittels RPAs sehen, die über keinerlei Schnittstellen verfügen. Diese Daten werden dann im Rahmen eines digitalisierten und damit transparenten und effizienten Geschäftsprozesses weiter verarbeitet.
Trend 4: Content Management als Teil der Prozessautomatisierung
Auch den Bereich Content Management werden viele Unternehmen umdenken. Zu lange schon sitzen Anwender dem Irrtum auf, dass es ausreicht, Inhalte gemeinsam nutzbar und zugänglich zu machen, indem sie diese zentralisieren und organisieren. Damit lässt sich jedoch keine wirkliche Zusammenarbeit in Echtzeit und keine wirkliche digitale Transformation erreichen. Vielmehr sollte Content als Teil einer größeren Prozessmanagement- und Automatisierungsinitiative eingesetzt werden. Neben der Berechtigungsverwaltung und Versionierung von Dokumenten sollten diese auch im Kontext von Geschäftsprozessen verfügbar gemacht, respektive erstellt und im Laufe eines Prozesses entsprechend bearbeitet werden – denn Dokumente und andere Arten von Content wie Tabellen, technische Zeichnungen, usw. sind wichtiger Bestandteil fast aller Abläufe in einem Unternehmen.
Trend 5: Das Wasserfallmodell bleibt
Beim Wasserfallmodell soll die Softwareentwicklung in einer Reihe von aufeinander folgenden, jeweils abgeschlossenen Schritten erfolgen. Diese Methodik ist jedoch mittlerweile antiquiert – besonders im Hinblick auf heutige agile Entwicklungsmethoden. Diese fokussieren sich mehr auf die kontinuierliche Bereitstellung von Software in zügigen Iterationen und führen zu schnelleren Ergebnissen. Einige Unternehmen befassen sich bereits an vielen Stellen mit dieser Entwicklungsart.
„Solange Unternehmen externe Berater beauftragen und Projekte zu festen Preisen, mit festen Laufzeiten vereinbaren, wird das Wasserfallmodell in absehbarer Zukunft allerdings leider weiter Anwendung finden – was sich negativ auf die Prozessautomatisierung auswirkt. Denn Prozesse entwickeln sich ständig weiter. So ist es besser, eine Prozessautomatisierungslösung zu implementieren und kontinuierlich zu verfeinern, als sie als einmaliges Projekt zu betrachten, das nach Abschluss nicht mehr angefasst wird“, ergänzt Erdkönig.
„Je nach Branche werden Unternehmen die Trends in unterschiedlicher Geschwindigkeit adaptieren. Eines ist aber klar: 2022 steht unter dem Zeichen der Prozessautomatisierung – sie wird bei keiner Organisation mehr wegzudenken sein. Nur so bleiben sie in disruptiven Zeiten wie diesen auch langfristig zukunftsfähig“, schließt Erdkönig ab.