“Wozu brauchen wir Industrie 4.0 eigentlich?“ Mehrere Antworten auf diese überraschende Frage lieferte Heinrich Munz von Kuka gleich zu Anfang seines Vortrages. Eine davon lautete: „Wir brauchen Industrie 4.0 für unser Wohlergehen und für die Zukunft unserer Kinder.“ Denn, so der Kuka-Manager und „Lead Architect Industry 4.0“ beim Augsburger Roboterhersteller: „Wenn wir weiter so produzieren wie bisher, werden wir den Produktbedarf für eine Weltbevölkerung von 7,9 Milliarden Menschen in 2025, von denen 53 Prozent zur ‚konsumierenden Klasse´ zählen werden, unter Berücksichtigung der Umwelt- und Ressourcenbedingungen nicht befriedigen können.“
Überraschende Erkenntnisse bestimmten den 15. Forcam Innovation Day am 25. September 2018 bei DXC.Technology in Böblingen. Praktiker aus Top-Unternehmen der Fertigungsindustrie berichteten vor mehr als 100 Gästen von ihren Erfahrungen sowie Chancen und Risiken im Zuge von konkreten Industrie‑4.0‑Projekten. Zu den eindeutigen Chancen zählen höhere Produktivität, größere Effizienz und klarer Durchblick bei den Kosten.
Mehrere Millionen Datensätze in zwei Sekunden
Kuka-Manager Heinrich Munz stellte in seinem Vortrag Megatrends im Zuge der weltweiten Digitalisierung vor. Ein Megatrend lautet: „Software Defined Everything“ (Software-zentrierte Services). Das gilt auch für die Fabrik im 21. Jahrhundert. Mit der passenden Software sind enorme Effizienz- und Flexibilitätssteigerungen möglich.
So berichtete Alexander Stappert von BorgWarner Europe, dass für eine Fabrik des Automobilzulieferers in Polen die lückenlose Rückverfolgbarkeit aller Teile und Prozesse oberstes Ziel der digitalen Steuerung war. Ergebnis: Die Datensätze aus sieben Monaten – in Summe mehrere Millionen – werden heute in zwei Sekunden ausgewertet angezeigt.
Höhere Transparenz, höhere Produktivität
Dabei ist für BorgWarner-Manager Alexander Stappert die Antwort auf die Frage „Wozu Industrie 4.0?“ sehr einfach: „Die Kunden verlangen das von uns. Wir brauchen eine lückenlose Rückverfolgbarkeit aller Prozesse. Es geht vor allem darum, Haftungsrisiken zu minimieren. Denn als Zulieferer liegt in Schadensfällen die Beweislast bei uns.“ Angenehmer „Nebeneffekt“ der lückenlosen Rückverfolgbarkeit: BorgWarner konnte die Produktivität in verschiedenen Fabriken zwischen fünf und 15 Prozent erhöhen.
Von ähnlichen Erfolgen durch optimierten Durchblick berichtete Tanja Knechtskern vom Group Operations Controlling der Grammer AG. „Wir wollten vor allem die Kosten sichtbar machen. Dazu mussten wir Produktion und Controlling zusammenbringen.“ Das bietet Grammer heute eine nahtlose Verknüpfung der Echtzeitdaten aus der Produktion mit der Unternehmenssteuerung mit SAP. „Diese Ist-Rückmeldungen an SAP sind eine echte Bereicherung für uns im Controlling“, so Tanja Knechtskern.
Schluss mit Blindflug und Jagd nach Informationen
Von einem „Blindflug“ vor der Einführung digitaler Fertigung sprach Raynald Richard von der Schweizer MPS Micro Precision Systems AG in Biel, ein führender Hersteller für Präzisionsteile in Medizintechnik, Uhren, Automation, Luftfahrt und Optik. „Vor Einführung der Forcam-Technologie hatten wir keine echte Kostentransparenz und wussten nicht genau, was unsere Produkte eigentlich kosten.“ Ausschuss-Dokumentation sowie die Feinplanung wurden manuell vollzogen. „Wir waren ständig auf der Jagd nach Informationen, konnten nur reagieren statt agieren“, so Raynald Richard.
Nach Umstellung auf digitale Fertigung wird heute der Produktionsstatus von 700 Produkten visuell dargestellt. Top und Shop Floor sind nahtlos miteinander verzahnt, es gibt größte Kostentransparenz durch Echtzeitdaten, die Effizienz wird kontinuierlich verbessert. MPS-Assembly Manager Richard: „Wir planen jetzt den weiteren Rollout der Forcam-Technologie an weiteren Standorten.“
Industrie 4.0 einfach starten – mit einem Starter-Kit
Wie der Einstieg in die intelligente Produktion schnell und zielführend gelingt, zeigte Denis Shoshi auf, Produktionsleiter bei dem Schweizer Möbelspezialisten Peka-Metall. „Wir haben mit dem Starter-Kit von Forcam angefangen. So mussten wir uns nicht sofort festlegen, konnten alles testen.“ Los ging es mit einer Anlage und Einzelgesprächen mit den Mitarbeitern an den Maschinen. Denis Shoshi: „Die enge Information und Schulung unserer 80 Mitarbeiter in der Produktion war und ist sehr wichtig. Als Unternehmen geben Sie Verantwortung an die Mitarbeiter ab, sie sollen künftig ihre Maschinen eigenverantwortlich steuern. Das nehmen selbst ältere Mitarbeiter gerne an.“
Die Ergebnisse sind überzeugend: Acht Monate nach Start mit dem Starter-Kit war das Arbeiten mit smarter Technologie der Normalfall bei Peka-Metall. In wenigen Jahren konnte die Effizienz mit der neuen Technologie, neue Anlagen, durch Schulungen und kontinuierliche Informationen in allen Abteilungen zwischen 20 und 25 Prozent, in Einzelfällen um 50 Prozent, gesteigert werden.