Die Nutzfahrzeugbranche gerät unter Druck: Mit verbindlichen Jahreszielen für den Verkehrssektor senkt das neue Klimaschutzgesetz die erlaubten Emissionsmengen deutlich ab. Das Ziel: Deutschland wird bis 2045 klimaneutral. Bis dahin müssen Treibhausgase schrittweise verringert werden. So dürfen auf Deutschlands Straßen im Jahr 2030 höchstens 85 Millionen Tonnen CO2 anfallen – verglichen mit 150 Millionen Tonnen, die 2020 noch erlaubt waren. 2040 darf der CO2-Ausstoß nur noch 12 Prozent gegenüber den Werten von 1990, also 20 Millionen Tonnen, betragen.
Connected, Autonomous, Shared and Electric (CASE): Das sind die vier Megatrends der nächsten Jahre, die laut einer aktuellen Marktstudie von Frost & Sullivan1 die Transformation in der kommerziellen Transportbranche hin zu mehr Nachhaltigkeit und Sicherheit antreiben. Im Jahr 2030 könnte bereits jeder zweite neue Lkw mit einer umweltfreundlicheren Antriebstechnologie ausgestattet sein. Um diesen Bedarf wirtschaftlich nachhaltig zu decken, müssen Hersteller dieser Lkw ihre Montageprozesse überdenken und flexibler gestalten. An Lösungen forscht aktuell das Fraunhofer-Institut für Gießerei‑, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV: Im Projekt »eTruckPro« entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit Industriepartnern aus der Automobil- und Nutzfahrzeugbranche wandlungsfähige Produktionssysteme. Diese ermöglichen es, elektrische und konventionelle Lkw auf einer gemeinsamen Linie zu montieren.
Solche strengen Grenzwerte können nur auf zwei Arten eingehalten werden: mit alternativen Kraftstoffen (Synthetische- oder Bio-Kraftstoffe) oder durch elektrische Antriebstechnologien (Batteriespeicher oder wasserstoffbasierte Brennstoffzellen, sogenannte E‑Lkw). Die derzeit am stärksten fokussierte Antriebsart ist der elektrische Antrieb. Hersteller von Nutzfahrzeugen müssen deshalb Lösungen finden, E‑Lkw schnell und kostengünstig zu produzieren. Dabei sollen jedoch Mehrkosten der neuen Komponenten, insbesondere des Batteriespeichers bzw. der Brennstoffzelle, nicht durch zusätzliche Produktionskostenanteile belastet werden. Hier gilt es, Montage-Lösungen zu nutzen, die eine kosteneffiziente Herstellung ermöglichen.
Noch lässt sich schwer abschätzen, wie sich die Nachfrage nach E‑Lkw entwickeln wird. Michael Neukam, Leiter des Vorseriencenters bei MAN Truck & Bus in München, sagt hierzu beispielsweise: »Die CO2-Gesetzgebung ist der Treiber, aber niemand weiß, wie hoch die geforderten Stückzahlen schlussendlich sein werden und wann genau sie gebraucht werden. Wir planen, dass bis 2030 mindestens 60 Prozent der Lkw für den Lieferverkehr und 40 Prozent der Lkw für den Fernverkehr emissionsfrei unterwegs sein werden.« Um flexibel auf die Nachfrage reagieren zu können, hat sich MAN Truck & Bus deshalb dafür entschieden, die bestehende Linie zu hybridisieren, statt ein komplett neues – mit hohen Anfangsinvestitionen und Risiken verbundenes – Montagesystem aufzubauen.
Zwei getrennte Systeme würden sich wirtschaftlich nur lohnen, wenn das Produktionsvolumen von E‑Lkw unmittelbar nach Markteinführung ein vergleichbares Niveau wie Diesel-Lkw erreicht. Zudem müssen Montageflächen, Arbeitsplätze, Medienversorgung, Werkzeuge und Mitarbeitende nicht doppelt vorgehalten werden. Andererseits existieren Herausforderungen einer gemeinsamen Produktion: Die Montagelinie soll möglichst kosteneffizient betrieben werden – egal, ob 5 oder 50 Prozent der darauf produzierten Fahrzeuge E‑Lkw sind. Das Fraunhofer IGCV setzt mit dem Projekt »eTruckPro« an diesem Punkt an: Mithilfe eines digitalen Modells des bestehenden Montagesystems bei MAN Truck & Bus wird die Produktion virtuell umgebaut, simuliert, analysiert und optimiert. Etwa 200 Laserscans der Montagelinie werden verarbeitet und mehrere hunderttausend mögliche Montagereihenfolgen werden durch die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür systematisch untersucht.
In der virtuellen Produktion ermitteln die Forschenden mit einer eigens entwickelten Methodik, an welchen Stellen die Montage neuer Komponenten angepasst werden muss. Mit Simulationsmodellen werden die so generierten Szenarien virtuell abgesichert. Stationen, deren Arbeitsabläufe bei der Integration der E‑Lkw besonders stark beeinflusst werden, lassen sich detailliert virtuell abbilden – und das bis auf die Prozessebene, das heißt bis auf die einzelnen Montageschritte. Sind keine Anpassungen an der Station nötig, so wird diese lediglich auf der Strukturebene modelliert. Durch die virtuelle Abbildung der Produktion lässt sich vorab bestimmen, in welcher Reihenfolge beide Antriebsformen möglichst effizient montiert werden können. Dies ist auf einer vorhandenen Montagelinie vor allem wegen der großen Anzahl an möglichen Fahrzeugkonfigurationen besonders wichtig.
Die vom Fraunhofer IGCV erstellte digitale Abbildung der Fertigung geht über eine reine Materialflusssimulation hinaus. Der Vorteil des gesamten Projektvorhabens liegt klar auf der Hand: Indem eine vorhandene Montagelinie genutzt und eine Austaktung vorgenommen wird, lassen sich Mehrkosten – wie die Anschaffung zusätzlicher Betriebsmittel und Produktionsflächen – vermeiden. Hersteller können so anfänglich kleine Stückzahlen produzieren, testen, sukzessive zur Serienreife ausbauen und anschließend entsprechend der Kundennachfrage weiter skalieren. Innerhalb der digitalen Fabrik kann das Team des Fraunhofer IGCV testen, inwiefern eine hybride Montage aufgrund der vorherrschenden Produktionsrandbedingungen überhaupt realisierbar ist: An welchen Stationen sind die größten Veränderungen zu erwarten? Wie lassen sich einzelne Prozesse umgestalten, damit sie kosteneffizienter ablaufen? Und welche Vorschläge können unter anderem aus Platzgründen nicht umgesetzt werden, welche schon?
Basierend auf diesen Erkenntnissen wird eine Demonstratorplattform am Fraunhofer IGCV in Augsburg aufgebaut. Sie dient dazu, Produktionssysteme physisch in einem kleineren Maßstab darzustellen. Dadurch können unterschiedliche Konzepte gemeinsam mit MAN Truck & Bus getestet und evaluiert werden – kollaborativ, realitätsnah und disziplinübergreifend. Zudem wird die Mitarbeiterunterstützung mittels kognitiver Assistenzsysteme (Augmented Reality) für die hybride Montage abgebildet. Hierdurch können alle relevanten Aspekte erlebbar gemacht und die wesentlichen Fragen gemeinsam beantwortet werden – etwa, wie sich ein solches wandlungsfähiges System unter verschiedenen Rahmenbedingungen überhaupt umsetzen lässt, wie es flexibler gestaltet werden kann, wie Mitarbeitende bezüglich der zunehmenden Variantenzahl unterstützt werden können und wie sich die daraus folgenden Erkenntnisse der Forschung in die Industrie übertragen lassen. Damit tragen die Forschungsergebnisse dazu bei, die Umsetzung einer umweltfreundlicheren Lkw-Flotte zu realisieren und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei der Herstellung von elektrischen Nutzfahrzeugen zu steigern.
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