Die frühzeitige Erkennung von Krankheits- und Verderbniserregern sowie von mikrobiellen Verunreinigungen ist für viele Branchen wie die Lebensmittel- oder die Wasser- und Abwasserindustrie essenziell, um die Produktqualität zu gewährleisten sowie Hygienevorschriften einzuhalten. Der Goldstandard für solche molekular- und mikrobiologischen Qualitätsanalysen sind heute Real-time-PCR-Tests im Labor, weil damit eine Probe gleichzeitig auf mehrere Parameter untersucht werden kann und Nukleinsäuren präzise quantifiziert werden können. Allerdings kostet der Gang dorthin auch viel Zeit: Nach der Entnahme muss die Probe dort erst von Fachpersonal homogenisiert und angereichert, dann die Lyse, die DNA- oder RNA-Aufreinigung sowie die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und eine manuelle Datenanalyse durchgeführt werden, „Der Arbeitsablauf mit etlichen Geräten in unterschiedlichen Räumen dauert in der Regel zwischen drei bis fünf Stunden. Kommt noch der Transport der Probe hinzu, können von der Entnahme bis zum Ergebnis zwei Tage vergehen“, sagt Dr. Nicholas Krohn, Geschäftsführer von Endress+Hauser BioSense. Dadurch können Unternehmen im Falle einer Verunreinigung auch nur verzögert handeln – und damit steigt das Risiko, Chargen zu verlieren, Produkte zurückrufen zu müssen oder gesetzliche Vorgaben nicht einhalten zu können.
Ein PCR-Analysesystem verhilft jetzt jedoch verschiedenen Industrien zu schnellerer Transparenz: Mit ihm können Mitarbeitende direkt vor Ort selbst Proben auf Bakterien oder Viren testen. Das System ersetzt dabei den kompletten Laborablauf von der Probe zum Ergebnis, besteht aus einem kleinen, einfach zu bedienenden Gerät sowie verschiedenen Kits – und liefert in unter 90 Minuten Ergebnisse. Entwickelt wurde es von Endress+Hauser BiosSense, einem 2021 gegründeten Joint Venture von Endress+Hauser und dem Forschungs- und Entwicklungsdienstleister Hahn-Schickard mit Sitz im Freiburger Innovationszentrum FRIZ auf dem Campus der Technischen Fakultät der Universität Freiburg. Kerntechnologie des Systems ist die von Hahn-Schickard in das Joint-Venture eingebrachte zentrifugale Mikrofluidik. Sie ermöglicht es, mittels Zentrifugalkräften geringste Flüssigkeitsmengen auf kleinsten Raum zu steuern. „Dadurch können auf einem Detektionsmodul im Inneren des Gerätes komplette und komplexe Laborabläufe automatisch auf Knopfdruck und ohne manuelle Eingriffe fürs Reagenzienhandling stattfinden. In der medizinischen Diagnostik sind solche so genannten Lab-on-a-Disc-Anwendungen schon verbreitet. Uns ist es nun gelungen, sie auf die industrielle Prozess- und Laborautomatisierung zu übertragen“, sagt Dr. Nicholas Krohn.
Auch die notwendige Probenvorbereitung vor der automatischen PCR-Analyse ist dank neuer Methoden der Probenkonzentration ganz einfach. Die entsprechenden Verfahren steuerte das zur Endress+Hauser Gruppe gehörende Unternehmen IST Innuscreen bei. „Da sie ohne Zentrifugation, Filtration oder Flockung auskommen, braucht es auch hier weder Spezialausrüstung noch ‑ausbildung. Jeder Mitarbeitende kann die Probe mit wenigen Handgriffen in nur fünf Minuten aufbereiten“, sagt Nicholas Krohn. Diese wird dann in das mikrofluide Einweg-Detektionsmodul übertragen, das alle für den Ablauf notwendigen Reagenzien enthält. Das scheibenförmige Modul wird anschließend in das Verarbeitungsgerät BAB00 gegeben. Es führt automatisch eine DNA- oder RNA-Extraktion mit anschließender Multiplex-Real-Time-PCR durch. Durch schnelle Rotationsbewegungen entstehende Zentrifugalkräfte steuern dabei den Transport der Flüssigkeit durch die Modulkanäle in Reaktions- und Analysekammern. Integrierte Analyse-Algorithmen interpretieren am Ende die PCR-Ergebnisse und zeigen sie auf dem Gerätedisplay an. Eine manuelle Dateninterpretation ist nicht erforderlich.
Für das universelle Verarbeitungsgerät BAB00 bietet Endress+Hauser BioSense aktuell rund zehn verschiedene applikationsspezifische Kits vor allem für die Lebensmittel- und Getränkeindustrieind die Wasser- und Abwasser-Industrie. Ein Kit enthält jeweils alles zur Probenahme und ‑vorbereitung sowie die Detektionsmodule, welche im Gerät verarbeitet werden. Betreiber von Kläranlagen können auf diese Art einfließendes Wasser für die epidemiologische Lagebewertung auf die Viruslast von SARS-CoV‑2 testen oder Wasserproben nach der Klärung zur Sicherstellung der Wasserqualität auf Enterobacter-Bakterien, Enterokokken und Escherichia Coli. Prozesswasser kann ebenfalls auf diese krankmachenden Darmbakterien untersucht werden sowie auf Listeria spp und Listera monocytogenes. Diese Keime können in Lebensmitteln vorkommen und finden sich auch im Umfeld von lebensmittelverarbeitenden Betrieben. Sie sind die Erreger der Listeriose, einer besonders in der Schwangerschaft und für immungeschwächte Menschen gefährlichen Erkrankung.
In Brauereien hingegen spielen bakterielle Krankheitserreger bei der Qualitätssicherung eine untergeordnete Rolle. Denn anders als in Wasser vermehren sie sich im Bier wegen des niedrigen pH-Wertes, des hohen Alkoholgehalts, des hohen Kohlendioxid-Gehalts und der Hopfenbitterstoffe nicht. Allerdings gibt es andere für den Menschen ungefährliche Bakterien, die sich an die Bedingungen angepasst haben: Diese so genannten Bierschädiger können im Laufe des Brauprozesses durch Rohstoffe, Anlagenteile oder beim Abfüllen ins Bier gelangen – und mit der Zeit dessen Qualität beeinträchtigen. Es schmeckt oder riecht dann anders, kann trüb und sauer oder durch schlechte Aromen ungenießbar werden. „Mit unserem Analysesystem können Brauereien Bierschädiger früh erkennen und so rechtzeitig die richtigen Gegenmaßnahmen treffen, um die Ausbreitung der Keime, den Verlust von Chargen oder gar Produktrückrufe zu verhindern“, sagt Nicholas Krohn. Verschiedene Kits erlauben die spezifische Identifikation von bis zu 18 bierschädigenden Bakterien sowie Hopfenresistenzgenen – unter anderem des wichtigsten Verderbnisbakteriums Lactobacillus brevis. Es kann starke Trübungen, Schleimbildung und Fehlaromen etwa durch die Erhöhung des Diacetylgehalts verursachen. Die Proben können aus Flüssigkeiten oder von Oberflächen genommen werden.
„Unser universelles System macht einfache benutzerfreundliche molekularbiologische Analysen vor Ort möglich, ohne dass ein Labor benötigt wird. Die mikrofluidische Automatisierung verkürzt zudem die Zeit bis zum Ergebnis und beschleunigt die Entscheidungsfindung. Darüber hinaus behalten die Anwender während der gesamten Zeit die Kontrolle von der Probenahme zum Ergebnis“, bilanziert Nicholas Krohn. Aktuell arbeitet das Unternehmen im frühzeitigen und engen Austausch mit Kunden an weiteren Kits und damit an zusätzlichen Anwendungen. Das Potenzial des Systems ist riesig: „In Zukunft könnten noch viele weitere Parameter erfasst werden wie zum Beispiel Pilze, multiresistente Erreger oder weitere respiratorische Erreger. Ebenfalls könnte das System in der Lebensmittelanalytik vielfältiger zum Einsatz kommen für den Nachweis von pathogenen Mikroorganismen, Allergenen, genetisch veränderte Organismen oder die Bestimmung von Tierarten“, sagt Nicholas Krohn.