Für die optische Endkontrolle von Airbag-Generatoren hat das Fraunhofer IGD die Software AEOLIA entwickelt, die bei der Qualitätssicherung Zeit und Kosten spart und Mitarbeiter entlastet. Sie kommt im mecklenburgischen Laage bei der ZF Airbag Germany GmbH zum Einsatz und wird derzeit weltweit auf weitere Standorte ausgeweitet.
Deutlich mehr als 100.000 Airbag-Gasgeneratoren verlassen täglich das Werk der ZF Airbag Germany GmbH in Mecklenburg-Vorpommern und treten ihre weltweite Reise zu den Kunden an. Als sicherheitsrelevantes Bauteil unterliegen die Generatoren strengen Qualitätskontrollen. Die visuelle Endkontrolle im Werk bestand bislang aus dem Zusammenspiel konventioneller Bildverarbeitungsverfahren und der u.U. manuellen Kontrolle durch das Produktionspersonal.
Abweichungen vom Soll-Zustand wie kleine Beschädigungen oder Fremdkörper, die die Funktion des Airbags beeinträchtigen, wurden vom System gemeldet und die Bilder daraufhin kontrolliert. Bei Bestätigung des Mangelverdachts suchten die Mitarbeiter das defekte Teil heraus und prüften es händisch. Bei mehr als zehn Fertigungslinien, die alle vier Sekunden einen fertigen Generator produzieren, stellt dies einen enormen Aufwand und eine große Belastung an die Mitarbeitenden dar. Zeitverzögerungen im Ablauf und Nachkontrollen kosten Zeit und Geld.
Im Rahmen einer Auftragsforschung erstellte das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Rostock zunächst eine Machbarkeitsstudie und präsentierte Möglichkeiten für die Umsetzung einer optimierten Endkontrolle. Der neue Lösungsansatz überzeugte die ZF Airbag Germany GmbH und das Forscherteam machte sich an die Arbeit, eine Software für den produktiven Einsatz zu entwerfen: AEOLIA – Automatic End of Line Image Audit.
Optimierte Qualitätssicherung
Es wird erwartet, dass die Software, die in dieser Qualitätsprüfung zum Einsatz kommt, mit einer 100-Prozent-Erkennungsrate arbeitet, so dass kein defektes Bauteil das Werk verlässt. Außerdem muss die Pseudofehlerrate, also falsch positive Fehlermarkierungen der Bilder, auf ein Minimum reduziert werden, da die Nachkontrolle jedes mutmaßlich defekten Bauteils die Produktion verlangsamt. Bei AEOLIA liegt diese bei unter 0,1 Prozent. Ein weiterer wichtiger Aspekt: die Software muss in der Lage sein, in hoher Geschwindigkeit die Bilder zu prüfen – nahezu in Echtzeit.
Das ist die Grundvoraussetzung, damit sich die Qualitätssicherung in einem vollautomatisierten Verfahren reibungslos in die Produktionsabläufe einfügt. Sobald die Fraunhofer-Software ein möglicherweise defektes Teil identifiziert, kommuniziert sie online mit der SPS-Einheit der Produktionsanlage und das Teil wird nicht zum nächsten Verarbeitungsschritt, sondern zur Nachkontrolle sortiert.
„Wir arbeiten permanent daran, dass unsere Produkte das Werk im Top-Zustand verlassen. Die mit künstlicher Intelligenz arbeitende AEOLIA-Software ist dabei ein wichtiger Baustein in unserer Qualitätskontrolle.“
— Sven Wachs, Projektleiter
Intelligente und flexible Software
AEOLIA basiert auf einer speziellen Variante eines Gaussian-Mixture-Modells, also eines statistischen Modells zur Wahrscheinlichkeitsberechnung. Die Software lernt, welche Schwankungen in der Erscheinung eines Produktes normal sind und spürt gezielt Abweichungen auf und markiert nur noch wirklich relevante Teile für eine manuelle Nachprüfung. Die dafür notwendigen Templates werden mit Bilddaten korrekter Bilder angelernt. Der Vorteil: die Software kann unkompliziert auf neue Varianten angepasst werden. Ändert sich eine oder kommt eine neue hinzu, können die zuständigen Techniker diese selbstständig anlernen und verwalten.
Dennoch mussten sich die Mitarbeitenden auf keinen vollkommen neuen Prozess einstellen: Eine Grundvoraussetzung der Auftragsentwicklung war das nahtlose Einfügen in die vorhandenen technischen Abläufe an der Linie. Auch die Schnittstelle für die Kommunikation der Software mit der SPS-Einheit hat das Fraunhofer IGD programmiert. Alle bis dato verwendete Soft- und Hardware konnte weiterverwendet werden, was die Akzeptanz der neuen Softwarelösung positiv beeinflusste: „Bei einem Vor-Ort-Termin kam ein Mitarbeiter aus der Produktion zu uns, um uns für die hilfreiche Software zu danken – das ist natürlich das beste Lob, dass wir uns als Entwickler wünschen können“, berichtet Tom Krause, Projektleiter am Fraunhofer IGD.