Um die gesamtgesellschaftliche Effizienz weiter zu steigern, hat die Bundesregierung einen „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ beschlossen. Energiesparen steht demnach an erster Stelle. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen erweiterte Kennzahlen den Energieverbrauch besser angeben. Die alten Normen reichen nicht mehr aus. Um ein mögliches Kennzeichnungs-Wirrwarr zu erhindern, sollen erweiterte Kennzahlen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Professor Dr.-Ing. Bernd Sankol und sein Team am Department Maschinenbau und Produktion arbeiten im Rahmen des WIPANO-Projektes an dieser neuen Konzeption. Das Projekt WIPANO steht für „Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen“ und wird vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gefördert.
Wer einen neuen Kühlschrank oder eine neue Waschmaschine kaufen möchte, sieht auf den Geräten bunte Schilder, welche die Effizienzklasse angeben. Effizienz beschreibt das Verhältnis von Energieaufwand und Nutzen. Das grün unterlegte A steht dabei für geringen Verbrauch und eine gute Effizienz. Über gelb und orange steigert sich der Energieverbrauch bis auf rot = hoher Verbrauch; bei zugleich sinkender Effizienz.
Weil aber das Verhältnis von Energieaufwand und Nutzen bei Haushaltsgeräten erfreulicherweise immer besser wird, reicht die alte Klassifizierung nicht mehr aus. Die Tendenz geht in Richtung A+++, und es ist absehbar, dass dies der neue Standard wird. Um das daraus folgende Kennzeichnungs-Wirrwarr zu verhindern, sollen diese Angaben auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden. Daran beteiligen sich Professor Dr.-Ing. Bernd Sankol und seine Mitarbeiter am Department Maschinenbau und Produktion der HAW Hamburg im Rahmen des WIPANO-Projektes („Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen“), das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gefördert wird. Ein Schwerpunkt dieser Förderung betrifft die Normen und Standards sowie die gezielte Förderung von Innovationen im Hinblick auf die zunehmend globalisierten und digitalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der Zukunft.
Es gilt die Energieeffizienz überall zu verbessern
Die Energieeffizienz zu verbessern und dadurch die eingesetzte Menge an Energie zu verringern, ist jedoch nicht nur bei Haushaltsgeräten das Ziel, sondern gehört zur Klimaschutz-Strategie der Bundesregierung. Deshalb bezieht es sich auch auf weitere Bereiche: Was im Privathaushalt zum Beispiel der Einbau einer neuen Heizungsanlage sein kann, ist in einem Unternehmen der Produktionsprozess, wie etwa der Wasserverbrauch in einer Schokoladenfabrik. Es betrifft den Verkehrs- und Mobilitätssektor ebenso wie den der Gebäudewärme und die energetischen Abläufe in Industrie und Gewerbe. Überall wird ein geringerer Energieverbrauch angestrebt, bei trotzdem mindestens gleichbleibendem Nutzen. Das mindert den Ausstoß des Treibhausgases CO2 und spart obendrein Geld. Gesamtgesellschaftlich zeigt sich die Effizienzverbesserung daran, dass das Bruttoinlandsprodukt zunimmt, während der Einsatz von Primärenergie sinkt. Deutschland ist da bereits auf einem guten Weg, weil die Wirtschaft seit über zehn Jahren wächst – bei reduziertem Energieeinsatz.
Normen und Standards geben Orientierung beim Energieverbrauch
Um Energieverbrauch und Effizienz überhaupt zu erkennen, braucht es Normen und Standards, die allgemein verbindlich sind. „Normen definieren in annähernd allen Lebensbereichen den Stand der Technik und die Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen“, heißt es dazu auf einer Internet-Seite des BMWi. Sie sichern Qualität, schaffen Transparenz und schützen den Verbraucher. Für wichtige Bereiche, wie beispielsweise den Arbeits- und Umweltschutz bilden sie die Grundlage. Deshalb unterstützt das Ministerium öffentliche Hochschulen sowie kleinere und mittlere Unternehmen dabei, Erkenntnisse aus der Forschung in neue Standards und Normen zu überführen. In diesen Bereich fällt auch das Forschungsprojekt von Professor Sankol und seinen Mitarbeitern, die am Beispiel der Richtlinie Nr. 4663 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) Methoden entwickeln, um für das Energiemanagement in der Verfahrenstechnik sogenannte „grenzwertorientierte Kennzahlen“ anwenden zu können. Bei der Richtlinie selbst geht es darum, die Energie- und Ressourceneffizienz zu bewerten und optimieren.
Wie werden standardisierte Kennzahlen ermittelt?
Ein neuer Ansatz soll es zukünftig ermöglichen, anhand von physikalischen Modellen das jeweilige Optimum eines Prozesses zu definieren. Dieses bildet dann den energetischen Grenzwert, der nicht mehr unterschritten werden kann. Und weil das so ist, lässt sich daraus erstmals eine dauerhafte Kennzahl ermitteln. Bernd Sankol, Professor für Konstruktion mit Schwerpunkt Thermische Apparate, erklärt das an einem einfachen Beispiel – dem Erwärmen von Wasser mit Hilfe von drei verschiedenen Methoden: 1) Im Wasserkocher, 2) in einem Campingkocher und 3) in einem Becherglas (die beiden letzteren werden jeweils auf einer vorgewärmten Elektroplatte erhitzt). „Die Energie, die notwendig ist, um das Wasser zu erwärmen“, sagt der promovierte Ingenieur, „können wir aus den physikalischen Gesetzen errechnen. Dieser physikalische Grenzwert entspricht dem sogenannten „thermodynamischen Mindestaufwand“. Die tatsächlich in Form von Strom aufgewendete Energie zur Erwärmung wird gemessen.“ Aus beiden Daten, dem errechneten Grenzwert beziehungsweise Optimum und dem gemessenen Energieverbrauch wird dann der Quotient gebildet, um als Ergebnis die neue, dauerhafte Kennzahl zu erhalten.
Vom Energieverbrauch zum Energiebedarf
Es gibt unterschiedliche Betrachtungsweisen die zu unterschiedlichen Kennzahlen führen. So ändert sich mit der Perspektive, etwa vom Energieverbrauch zum Energiebedarf, auch die Kennzahl. Bei der Verbrauchsperspektive berechnen die Ingenieure das Physikalische Optimum für die Seite des Energieaufwands; also, wie man den größten Nutzen aus dem Aufwand zieht. Dagegen berechnen sie bei der Bedarfsperspektive, wie man den gewünschten Nutzen mit möglichst geringem Energieaufwand erreicht. Außerdem gibt es Prozesse, bei denen physikalische Grenzen die zur Verfügung stehende Energie von vornherein limitieren, etwa bei Windenergieanlagen. Eine Windturbine kann die kinetische Energie des Windes nicht vollständig in mechanische Energie – also die Rotation – umwandeln. Der deutsche Physiker Albert Betz berechnete bereits im Jahr 1920, dass eine ideale Windturbine maximal 59 Prozent an Leistung aus dem Wind herausholen kann, das ist der sogenannte Betz-Faktor (gilt nur für „Auftriebsläufer“). Weitere physikalische Grenzen gibt es zum Beispiel bei Kraftwerksprozessen (Clausius-Rankine-Prozess) oder bei der thermischen Energieumwandlung (Carnot-Prozess).