Chemiker der Universität Würzburg haben ein borhaltiges Molekül hergestellt, das ohne Beteiligung eines Übergangsmetalls Stickstoff binden kann. Möglicherweise ist das ein allererster Schritt zu einer energiesparenderen Produktion von Düngemitteln.
Egal ob Weizen, Hirse, Reis oder Mais: Sie alle benötigen Stickstoff, um zu wachsen. Dünger enthält daher große Mengen von Stickstoff-Verbindungen. Diese werden meist aus der Luft gewonnen, und zwar im großtechnischen Haber-Bosch-Verfahren, das nach seinen Erfindern benannt ist. Ohne dieses Verfahren könnte die Erde Berechnungen zufolge nur halb so viele Menschen ernähren.
Luft besteht zu fast 80 Prozent aus Stickstoff, chemisch: N2. Dieser ist jedoch äußerst reaktionsträge: Die Bindung zwischen den beiden Stickstoff-Atomen ist extrem stabil. Im Haber-Bosch-Verfahren wird sie aufgebrochen und der Stickstoff zu Ammoniak (NH3) umgewandelt, denn sonst kann er von den Pflanzen nicht verwertet werden. Das funktioniert nur unter extremem Druck und hohen Temperaturen. Entsprechend energieaufwändig ist dieser Prozess: Man vermutet, dass das Haber-Bosch-Verfahren für ein Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs verantwortlich ist.
Bakterien machen vor, wie es geht
„Wir haben daher nach einer energetisch günstigeren Möglichkeit gesucht, Stickstoff zu spalten“, erklärt Professor Holger Braunschweig vom Institut für Anorganische Chemie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Dass das tatsächlich geht, machen manche Bakterien vor: In ihnen findet dieser Schritt unter normalem Druck und Temperaturen statt. Sie nutzen dazu ein Enzym namens Nitrogenase, das die Reaktion mit Hilfe der Übergangsmetalle Eisen und Molybdän katalysiert.
„Bislang ist es noch nicht gelungen, eine Art Nitrogenase nachzubauen“, sagt Braunschweig. „Wir haben daher nach einer Alternative gesucht: einem Molekül, das die Spaltung katalysieren kann und dabei nicht auf Übergangsmetallen basiert.“
Seine Arbeitsgruppe forscht seit vielen Jahren an bestimmten Verbindungen des Elements Bor, den so genannten Borylenen. Diese gelten als mögliche Kandidaten für einen entsprechenden Katalysator. Doch wie genau müsste dazu das entsprechende Borylen-Molekül aufgebaut sein?
Kandidaten müssen gut zu Stickstoff passen
Vom Eisen und Molybdän in der Nitrogenase weiß man, dass sie an das Stickstoff-Molekül Elektronen abgeben – ein Vorgang, der sich Reduktion nennt. Dadurch wird die Bindung zwischen den beiden N‑Atomen gebrochen. Das klappt aber nur, weil die Übergangsmetalle gut zu dem Stickstoff-Molekül passen: Ihre Orbitale – das sind die Orte, an denen sich die bei der Reduktion übergebenen Elektronen aufhalten – überlappen aufgrund ihrer räumlichen Anordnung stark mit denen des Stickstoffs.
Dr. Marc-André Légaré vom Institut für Anorganische Chemie hat – basierend auf quantenchemischen Vorhersagen – ein Borylen mit einer ähnlichen Orbital-Anordnung designt. Die Ergebnisse seiner Überlegungen wurden dann am Würzburger Institut synthetisiert und getestet.
Mit Erfolg: Das so hergestellte Borylen war dazu in der Lage, Stickstoff zu binden – und zwar schon bei Raumtemperatur und normalem Luftdruck. „Wir konnten so zum ersten Mal nachweisen, dass auch nichtmetallische Verbindungen diesen Schritt bewerkstelligen können“, betont Légaré.
Lediglich ein allererster Schritt
Das heißt jedoch nicht, dass dem Haber-Bosch-Verfahren nun das baldige Aus droht. Zunächst einmal ist noch gar nicht gesagt, dass sich der reduzierte Stickstoff problemlos vom Borylen ablösen lässt, ohne es zu zerstören. Dieser Schritt ist aber nötig, um den Katalysator zu recyclen, so dass er dann das nächste Stickstoff-Molekül binden kann.
Ob am Ende ein energetisch günstigeres Verfahren zur Stickstoff-Gewinnung herauskomme, stehe daher noch völlig in den Sternen, so Professor Braunschweig. „Es handelt sich auf dem Weg dahin lediglich um einen allerersten Schritt – allerdings um einen sehr wichtigen.“
Die Ergebnisse der Studie, die in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Professor Bernd Engels aus dem Institut für Physikalische und Theoretische Chemie durchgeführt wurde, sind in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science publiziert.
Titelbild: Ein Stickstoff-Molekül (blau) hat an zwei Borylen-Moleküle (grau) gebunden. Die an der Bindung beteiligten Bor-Atome des Borylens sind in der Darstellung grün eingefärbt. (Quelle: Dr. Rian Dewhurst, JMU)