Nun konnte mithilfe von Nanopartikeln ein Jenaer Forschungsteam einen Wirkstoff zielgerichtet ins Lebergewebe transportieren. Dies gelang durch die Markierung mit einem Farbstoff, der spezifisch von Leberzellen aufgenommen wird. Dort hemmt der Wirkstoff das Signalprotein PI3Kinase γ, das bei einer Sepsis zum Leberversagen beiträgt. Die außerhalb der Leberzellen erwünschte Aktivität des Signalproteins in der Bekämpfung der Infektionserreger bleibt ungehindert. Diesen neuartigen Ansatz zur Behandlung des septischen Leberversagens beschreibt das Team in einer jetzt im EMBO Molecular Medicine Journal erschienenen Arbeit.
Das Signalprotein mit der Bezeichnung PI3Kinase γ ist ein Multitalent: Es spielt z.B. bei der Blutgerinnung eine Rolle, es ist an der Blutdruckregulierung sowie an Stoffwechselprozessen beteiligt und es steuert Immunzellen zum Infektionsort und dort bei der Bekämpfung der Keime. Eher unrühmlich ist seine Rolle bei einer Sepsis. Eine solche lebensbedrohliche Organfehlfunktion kann als Folge einer fehlregulierten Abwehrantwort auf eine Infektion auftreten und kommt allein in Deutschland jährlich etwa 280.000-mal vor, mit einer Sterblichkeit von 30%. Bei einer Sepsis führt die Aktivierung von PI3Kinase γ zu einer Störung der Entgiftungs- und Transportwege in den Leberzellen, schlimmstenfalls zum Organversagen der Leber.
Der Versuch, Wirkstoffe gegen PI3Kinase γ als Behandlung gegen das Leberversagen bei der Sepsis einzusetzen, scheiterte bislang an den Nebenwirkungen. Im Tierversuch verbesserte die Gabe des PI3Kinase γ‑Hemmers AS605240 zwar die Leberfunktion, beeinträchtigte aber zugleich massiv die Immunfunktion, weil PI3Kinase γ auch außerhalb der Leber nicht mehr hinreichend aktiv war. Die unerwünschten Effekte hoben die positive Wirkung auf, so dass die Behandlung keine Verbesserung darstellte. Um die Nebenwirkungen zu umgehen, muss der Wirkstoff in die Leber gelangen und nur dorthin.
Im DFG-Sonderforschungsbereich PolyTarget forscht ein Team an Universitätsklinikum, Friedrich-Schiller-Universität und Leibniz-Instituten in Jena an Transportsystemen, die genau das können: ihren Weg zielgerichtet in bestimmte Gewebe oder Organe finden. Es entwickelt Nanopartikel, die wie ein Container Wirkstoffe aufnehmen können. Durch verschiedene Modifizierungen werden die Nano-Container selektiv von bestimmten Zelltypen aufgenommen und geben nur an diesen Stellen ihre Ladung, also den Wirkstoff, frei. „Aus früheren Arbeiten wissen wir, dass der Farbstoff DY-635 Nanopartikel effektiv zur Leber navigieren kann. Wir haben nun Liposomen damit ausgestattet und mit AS605240 beladen. Den Weg und die Wirkung dieser Nanopartikel haben wir in Zell- und Tierversuchen verfolgt“, beschreibt Erstautor Dr. Adrian T. Press das Vorgehen. Er erforscht als Juniorprofessor am Universitätsklinikum Jena die molekulare Medizin lebensbedrohlicher Infektionen.
Akribisch wies das Autorenteam nach, dass die Nanopartikel nach einer Stunde isoliert in der Leber angereichert waren. Es betrachtete das Entzündungsmarkerspektrum, das durch die Nanopartikelgabe nicht verändert war, der Wirkstoff AS605240 hemmte also nicht die Immunfunktionen von PI3Kinase γ. In der Leber aber war die Hemmwirkung durch Wiederherstellung der Galleproduktion sichtbar. Das zeigte sich auch in einem deutlich besseren Überleben der mit den Wirkstoff-Containern behandelten Tiere. Alle Tiere, auch die Kontrollgruppe, erhielten Antibiotika zur Behandlung der Sepsis und Schmerzmittel.
„Es ist uns gelungen, die Leberfunktion in der Sepsis zu stabilisieren, ohne die Abwehrmechanismen zu beeinträchtigen – verbunden mit einer deutlichen Verbesserung der Überlebensrate. Es ist also möglich, bei systemischer Entzündung und gleichzeitig beeinträchtigter Barrierefunktion mithilfe von Nanomedikamenten das prognosebestimmende Organversagen gezielt zu behandeln. Das eröffnet fundamental neue Möglichkeiten für die Sepsistherapie.“
— Seniorautor Prof. Dr. Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin