Das Fraunhofer IVV arbeitet an seiner brasilianischen Außenstelle in Campinas an der ganzheitlichen Nutzung von Früchten der Macauba-Palme, um die nachhaltige Gewinnung von Pflanzenöl, Proteinen und Ballaststoffen voranzubringen. Mit der Entwicklung eines neuartigen Extraktionsverfahrens ist es möglich, nicht nur das Öl der Früchte, sondern auch die bei der Verarbeitung entstehenden Nebenströme zu verwerten. Das Fraunhofer IVV hat das Verfahren bis in den Pilotmaßstab entwickelt und zum Patent angemeldet. Der Schritt in die unternehmerische Anwendung wurde im Sommer 2023 mit einer Ausgründung aus dem Fraunhofer IVV vollzogen.
Macauba Ingredients mit Sitz in Freising stellt aus Macauba-Früchten wohlschmeckendes Öl und hochwertige Protein- und Ballaststoffpräparate her. Aufgrund der funktionellen Eigenschaften eignen sich die Zutaten für Anwendungen in Lebensmitteln und Petfood, perspektivisch auch für Verpackungen, so dass eine sehr hohe Wertschöpfung und Profitabilität erreicht werden kann.
Die globale Pflanzenölproduktion hat sich in den letzten 20 Jahren durch die zunehmende Nachfrage nach Biokraftstoffen mehr als verdoppelt. Es wird erwartet, dass die Produktion um weitere 6 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen wird und bis 2040 über 330 Millionen Tonnen beträgt. Soja- und Palmöl sind aktuell mit einem Marktanteil von 62 Prozent die dominanten Rohstoffe. Um Fläche für deren Anbau bereitzustellen, werden jährlich rund 13 Millionen Hektar Regenwald gerodet. Wird diese Entwicklung nicht gestoppt, hat die Erweiterung der Pflanzenölproduktion die weitgehende Zerstörung der tropischen Regenwälder zur Folge.
Einen Weg aus diesem Dilemma könnte die Macauba Palme ebnen. Macauba ist eine in Brasilien heimische Ölpalmenart. Sie erzielt mit etwa 2,5 Tonnen Pflanzenöl pro Hektar und Jahr einen vergleichbaren Ertrag wie klassische Ölpalmen, hat aber einen deutlich niedrigeren Wasserbedarf und eine erhöhte Trockenresistenz. Infolgedessen gelingt es, die Macauba-Palme für die Ölgewinnung auf ertragsschwachen Böden und degradiertem Weideland in trocknen Regionen Brasiliens anzubauen und damit eine Rodung des Regenwaldes für die Pflanzenölproduktion überflüssig zu machen.
Der Anbau eröffnet zudem große Nachhaltigkeits- und Biodiversitätspotenziale. So leistet Macauba im Rahmen integrierter Agroforstsysteme – vergleichbar mit Streuobstwiesen in Europa – einen wichtigen ökologischen Beitrag für die Böden. Das Wurzelwerk lockert degradierte Böden auf, verhindert Erosion, speichert Wasser über lange Zeiträume und schafft ein feuchtes Mikroklima und einen sicheren Lebensraum für vielerlei Lebewesen im Boden. Zudem trägt der Anbau zur CO2-Speicherung bei, so werden in den Wurzeln und dem Stamm der Palmen jährlich pro Hektar rund 20 Tonnen CO2 gebunden.
Der Macauba-Anbau und der Schatten der Palmen erhöhen die Fruchtbarkeit der Böden erheblich, so dass auch Weidegras oder Nutzpflanzen wie zum Beispiel Soja zwischen den Palmen deutlich besser gedeihen als im direkten Sonnenlicht. Durch den höheren Ertrag an Weidegras kann zum Beispiel die Anzahl an Rindern zwischen Macauba-Palmen mehr als verdoppelt und damit die wirtschaftliche Situation von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben verbessert werden.
Das für dieses neue Anbaukonzept verfügbare Potenzial ist enorm. Alleine in Brasilien stehen mehr als 150 Millionen Hektar Weideland für den Macauba-Anbau zur Verfügung. Diese Flächen könnten ohne negative Folgen für die Ökosysteme nachhaltig mit Macauba-Palmen bepflanzt werden. Dadurch könnte ohne Schäden für die Umwelt ausreichend Pflanzenöl erzeugt werden, um den globalen Flugverkehr zu 100 Prozent auf Bio-Kerosin umzustellen.
Die Nutzung von Macauba wurde von der brasilianischen Regierung als strategisch wichtiges Thema identifiziert und der Anbau deshalb massiv gefördert. In Zukunft wird dies in Kombination mit den genannten Nachhaltigkeitseffekten zu einer zunehmenden Kultivierung der Macauba-Palme führen. Bei der Macauba-Ölgewinnung entstehen aufgrund des geringen Ölgehaltes der Früchte große Mengen an Press- und Extraktionsrückständen. Diese können bislang nur als minderwertiges Tierfutter genutzt werden, was die Wirtschaftlichkeit des Macauba-Anbaus in Frage stellen könnte.
Mit dem ganzheitlichen Konzept von Macauba Ingredients gelingt es, alle Fraktionen der Früchte vollständig zu nutzen und das Geschäftsmodell für den Macauba-Anbau sehr profitabel zu machen. Besonders werthaltig ist dabei die Proteinfraktion. Ein wesentlicher Vorteil der Proteine im Vergleich zu Soja oder Erbse ist der neutrale Geruch und Geschmack. Dies ist in erster Linie auf die hohe Oxidationsbeständigkeit der Kernfette zurückzuführen, welche die Bildung von bitteren, adstringierenden und bohnigen Oxidationsprodukten verhindert. Aus diesem Grund ist das Applikationsspektrum der Proteine sehr breit.
Auch die Ballaststoffe, die aus den Rückständen der Ölgewinnung gewonnen werden, zeigen ein hochwertiges Eigenschaftsprofil, vergleichbar mit dem von Johannisbrotkernmehl. Die Ballaststoffe sind somit für anspruchsvolle Lebensmittelanwendungen genauso geeignet wie für technische Applikationen.
Mit dem Geschäftsmodell von Macauba Ingredients stehen in Zukunft kostengünstige, wohlschmeckende und hochfunktionelle Zutaten zur Verfügung. Die Nutzung aller Fraktionen der Früchte ermöglicht es, die jährlichen Erträge von 3200 Euro pro Hektar für die Öl- und Tierfuttergewinnung durch Nutzung der Proteine und Ballaststoffe auf über 6500 Euro pro Hektar zu steigern. Damit schafft der Anbau von Macauba nicht nur ökologische Vorteile, durch die hohe Wertschöpfung eröffnet sich langfristig auch eine wirtschaftlich nachhaltige Perspektive für die Landwirte und deren Familien in Lateinamerika.