Auf über neun Milliarden Menschen wird die Weltbevölkerung bis 2050 anwachsen. Und diese müssen mit hochwertigen Proteinen versorgt werden. Weil Viehwirtschaft in diesem Maße die Ressourcen der Welt überfordern würde, steigt der Bedarf an alternativen Proteinquellen – und an Technik, um diese herzustellen.
In einem unscheinbaren Industriegebiet im Hafengebiet von Bergen op Zoom in der niederländischen Provinz Noord-Brabant winden sich Abermilliarden Larven der Soldatenfliege, die hier vom Proteinpionier Protix gezüchtet und verarbeitet werden – zuletzt über 15.000 Tonnen pro Jahr. Bislang ist das gelbliche Pulver vor allem für die Produktion von Tierfutter bestimmt, künftig könnte es womöglich auch direkt für die Produktion von Nahrungsmitteln eingesetzt werden.
Mit seinem für Otto-Normalverbraucher leichten Grusel-Effekt ist das große Krabbeln das vielleicht prominenteste Indiz für eine Revolution, die sich in der Ernährungsindustrie abzeichnet: Die Entwicklung alternativer Proteine, die entweder direkt oder über den Umweg als Tierfutter schließlich auf dem Teller landen. Denn pro Kilogramm Körpergewicht sollten Erwachsene, so die Empfehlung von Ernährungsexperten, täglich 0,8 Gramm Eiweiß zu sich nehmen – bis 2050 entsteht so ein Bedarf von über 500 Millionen Tonnen täglich.
Neben Fleisch und Milchprodukten spielen dabei pflanzliche Quellen und Pilze eine wichtige Rolle. Proteinpulver aus Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen, Getreide und Soja zu gewinnen, ist derzeit einer der wichtigsten Wachstumstreiber für den Maschinen- und Anlagenbau für die Lebensmittelindustrie, und wird auch auf der Powtech an vielen Stellen Thema sein. Ein weiterer Ansatz ist die noch in den Kinderschuhen steckende „zelluläre Landwirtschaft“, bei der Fleisch in Laborverfahren kultiviert und aus Muskelstammzellen gezüchtet wird. Und eben Proteine auf Basis von Insekten wie der Soldatenfliege.
Mit dem Beschluss der EU vom Juni 2021 und zuletzt Januar 2023, vier Insekten als Lebensmittel zuzulassen, hat das Thema weiter an Bedeutung gewonnen: Am Stück frittiert oder mit Schokolade überzogen, oder als Proteinpulver und ‑riegel können auch hierzulande inzwischen Käfer, Grillen, Würmer und Heuschrecken genutzt werden. Die Produktionsverfahren dazu sind durchaus aufwendig – von der Aufzucht über die Ernte bis zur Verarbeitung sind zahlreiche Prozessschritte notwendig: sieben, trocknen, mahlen, zentrifugieren, fördern, verpacken und lagern.
Der niederländische Pionier Protix entwickelt den Prozess seit 2009 gemeinsam mit Maschinenherstellern wie Bühler und Alfa Laval. Mit dem Schweizer Anlangenbau-Unternehmen gründete Protix in 2017 eigens das Joint Venture Bühler Insect Technology Solutions, um das Verfahren in den industriellen Maßstab zu übertragen.
Um die neuen Verfahren großtechnisch nutzbar zu machen, braucht es die Zusammenarbeit zwischen den Start-up-Unternehmen beziehungsweise Ideengebern und dem Maschinen- und Anlagenbau. Existierende Maschinen wie Mischer, Extruder oder Zentrifugen müssen an zum Teil komplett neue Produkteigenschaften angepasst oder vollständig neu entwickelt werden. Und das gilt nicht nur für Insektenproteine, sondern vor allem auch für die Extraktion aus Pflanzen wie Soja, Weizen und Erbsen, aber auch Gräsern und Blättern.
Das Engagement der Maschinenbauer lohnt sich – denn der Markt für alternative Proteine wächst überproportional stark. Weltweit steigt die Nachfrage nach Pflanzenproteinen aktuell um 9,7 Prozent pro Jahr und könnte 2028 ein Volumen von 23,4 Milliarden US-Dollar erreichen, prognostiziert das Marktforschungsunternehmen Meticulous Research. Treiber sind dabei sowohl veränderte Ernährungsgewohnheiten in Nordamerika und Europa (zum Beispiel Veganismus), aber auch der mit einem Bevölkerungszuwachs und dem wachsenden Wohlstand einhergehende Mengenbedarf, unter anderem in Asien.
So beschäftigen sich beispielsweise Trenntechnik-Spezialisten wie Alfa Laval, Andritz, GEA, Ferrum oder Flottweg mit der Entwicklung von Maschinen und Prozessen, mit denen Proteine aus Pflanzen extrahiert und isoliert werden können. Auch das Trocknen und Vermahlen der Proteine zu einem feinen Pulver erfordert spezifisches Know-how und angepasste Maschinen, die einerseits den geforderten Mahlgrad erreichen, andererseits das temperaturempfindliche Mahlgut schonen und zudem noch hohe Hygienestandards erfüllen. Powtech-Aussteller wie zum Beispiel Hosokawa Alpine, Netzsch und andere haben dafür bereits Lösungen entwickelt.
Aber auch die Verarbeitung der Proteinpulver zu Lebensmitteln, die von den Konsumenten angenommen werden, erfordert spezifisches Know-how. Beispielhaft sei hier die Texturierung von Fleischersatzprodukten genannt, die entweder als trockene Granulate (TVP) oder als Fleischanaloga mit hohem Wasseranteil (HMMA) in den Handel gelangen. Maschinenhersteller, darunter Andritz, Bühler und Coperion, entwickeln dazu eigene Lösungen.
Wie so häufig in der mechanischen Verfahrenstechnik stoßen die Verfahrens- und Maschinenentwickler dabei auf Materialeigenschaften, die eine echte Herausforderung darstellen. Auch deshalb führt an Versuchen unter möglichst realitätsnahen Bedingungen kein Weg vorbei. Viele Maschinen- und Anlagenbau-Unternehmen investieren aus diesem Grund in eigene Testcenter, in denen Kunden die Verarbeitung von Rohstoffen und Produkten erproben und die Verfahrensparameter für die (großtechnischen) Verfahren bestimmen. Oder entwickeln Verfahren gemeinsam mit den Maschinenherstellern, um diese schließlich auch gemeinsam zu produzieren.