Schneller, genauer, flexibler – in der Produktion gilt es, sämtliches Optimierungspotenzial auszuschöpfen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS haben hierfür SURFinpro entwickelt, eine Lösung, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz und optischer Messtechnik in Prozess-Echtzeit Fehler detektiert, klassifiziert, visualisiert und an die produzierende Anlage meldet.
Ultra-leicht, ultra-dünn, besonders zuverlässig – und trotzdem schnell produziert. Dr. Christopher Taudt, Gruppenleiter Oberflächenmesstechnik im Zwickauer Fraunhofer- Anwendungszentrum für Optische Messtechnik und Oberflächentechnologien (AZOM) des Fraunhofer IWS und sein Team haben ein System entwickelt, das Oberflächenfehler, Artefakte und Texturänderungen detektiert und unterstützt von Künstlicher Intelligenz auswertet.
Das Verfahren ist in der Lage, Oberflächen schnell in hoher Auflösung dreidimensional zu erfassen und aus diesen Messdaten weiterführende Informationen in-line zur laufenden Produktion zu generieren. »Fehler werden nicht nur als solche erkannt. Das System klassifiziert sie zugleich und schafft somit direkt einen weiterführenden Kontext. Unsere Kunden erhalten Informationen über die Art des Fehlers und zahlreiche weitere Parameter wie unter anderem die Defektdichte, die geometrischen Abmessungen des Fehlers oder die Fehlerhäufigkeit«, präzisiert Taudt. »Das stellt einen erheblichen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Systemen dar.«
Das Messsystem ist seit über einem Jahr erfolgreich in der Anwendung und analysiert auf einer Breite von 70 Zentimetern ein Rolle-zu-Rolle-Verfahren. Um weiteres Optimierungspotenzial zu heben, trainieren Christopher Taudt und sein Team SURFinpro bei laufender Produktion, hierbei arbeiten sie mit einem Fehlerkatalog. Mit den gemeldeten Fehlern speisen sie ein neuronales Netz und präzisieren so die Detektion von Anomalien. Die Forschenden überprüfen anhand der Messinformationen etwa, ob es sich um neue Defekte handelt oder ob sich die Fehler verändern. Das System muss entsprechend dynamisch reagieren. »Wir arbeiten einerseits daran, bessere neuronale Netze zu entwickeln, die mit weniger Daten auskommen«, erläutert der Wissenschaftler, »darüber hinaus entwickeln wir neue Trainingsstrategien im laufenden Betrieb.«
Die Expertinnen und Experten des Fraunhofer AZOM adaptieren ihre Technologie aktuell für zusätzliche Anwendungsfelder, etwa kontinuierliche Fertigungsverfahren von Faserverbundwerkstoffen. »Auf diesem Gebiet geht es unseren Partnern nicht nur um das Vermeiden oberflächennaher Fehler – es geht auch um mehrdimensionales Erkennen und die Beurteilung von Bauteilen«, verdeutlicht Taudt. Eine weitere Zielgruppe, die Zugang zu den Algorithmen und dem System zur Fehlerklassifikation erhalten soll, ist die Halbleiterindustrie, zum Beispiel für die Produktion von flexiblem Halbleitermaterial.
Derzeit kommen bei der Lösung des Fraunhofer AZOM maximal vier Kameras zum Einsatz. In einem weiteren Schritt möchten die Forschenden sie nun um weitere Kamerasysteme ergänzen. Das ist verfahrensunabhängig interessant – ob für Faserverbundwerkstoffe mit sehr großen Bauteilen oder bei klassischen Rolle-zu-Rolle-Verfahren, etwa in der Photovoltaik-Industrie.
Ein weiterer Ansatzpunkt der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist die Geschwindigkeit der Lösung. Gerade hinsichtlich faserverstärkter Kunststoffe, aber auch in der Textilverarbeitung sind besonders hohe Taktzeiten gefordert. »Geschwindigkeitssteigerung ist in diesem Kontext ein wichtiges Thema und wir haben das Know-how, um diesen Anforderungen zu entsprechen. Bei unserer Lösung nutzen wir Techniken des maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz zum einen für die Auswertung, aber auch zur Beschleunigung von Auswerteschritten«, erläutert der Gruppenleiter und präzisiert: »Eine entsprechende Messauswertung besteht aus einer überschaubaren Anzahl einzelner Schritte, bei denen Daten gefiltert und reduziert werden. Hier entwickeln wir kontinuierlich neue Technologien, um noch schneller zu werden und zum Beispiel aus weniger Daten denselben Informationsgehalt extrahieren zu können.«
Einen zentralen Aspekt seiner Lösung sieht der Wissenschaftler in deren Modularität. Denn dank eines ausgeklügelten Baukastenprinzips mit erprobt-effizienten Komponenten ist SURFinpro breit einsetzbar und leicht zu adaptieren: »Eine Vielzahl der Technologien, die wir in unserem System einsetzen, wurde als einzelne Bausteine so entwickelt, so dass sie sich in verschiedenen Kontexten und Projekten effektiv einbringen lassen.«