Brauer wissen, dass Bier empfindlich auf Sauerstoff reagiert. Der sogenannte Oxidationsgeschmack stellt sich bei zu hohen Sauerstoffaufnahmen ein. Trendbiere mit der wiederentdeckten Kalthopfung, früher „Hopfenstopfen“ genannt, verändern ihren Geschmack bei Sauerstoffaufnahmen recht schnell. Aber auch gewöhnliche helle Biere sind besonders sauerstoffempfindlich. Dunklere Biere zeigen dagegen oft eine beachtliche Geschmackstoleranz gegenüber Sauerstoffgehalten jenseits von 0,1 Milligramm pro Liter.
Die Sauerstoffaufnahme bei der Bierbereitung fängt beim Schroten des Malzes an und endet noch nicht mit dem Verlassen des Bieres der Brauerei, denn Sauerstoff durchdringt beispielsweise Dichtungen von Kronkorken – bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Bier konsumiert wird. Bierinhaltsstoffe reagieren so rasch mit Sauerstoff, dass Messungen von gelöstem Sauerstoff unmittelbar nach den jeweiligen Prozessen wie Tankfüllung, Filtration oder Abfüllung nötig sind. So weist ein oxidiertes Bier mit den typischen Geschmacksänderungen oft kaum messbare Sauerstoffgehalte auf, und dennoch sind die Qualitätseinbußen deutlich.
Die Verwendung von Zusatzstoffen wie Bisulfit oder Ascorbinsäure als Sauerstofffänger ist in anderen Ländern außerhalb Deutschlands üblich, vor allem für die Abfüllung in PET-Flaschen. Denn diese Behälter sowie der dafür am häufigsten verwendete Verschluss aus PE oder PP lassen Sauerstoff in kurzer Zeit in relevanten Größenordnungen migrieren. Als Antioxidans für Bier ist Ascorbinsäure jedoch ein zweischneidiges Schwert. Oxidationsprozesse – nicht nur im Bier, sondern ebenfalls in weiteren Getränken wie Softdrinks oder Säften – sind komplexe Vorgänge mit vielen Zwischenstufen, und damit sehr viel mehr als der Übergang von Sauerstoff auf ein spezifisches Empfänger-Molekül. Ob die Polyphenole des Malzes oder des Hopfens förderliche Antioxidantien oder schädliche Trübungsbildner sind, ist ein Kapitel für sich, an dem die Wissenschaft noch weiterforscht.
Um dieser Herausforderung zu begegnen, entwickeln Brauereien unterschiedliche Ansätze zur Qualitätssicherung: vom polyphenolarmen Malzen bis polyphenolreicher Doldenhopfung oder von Strategien zur Erhaltung über Ausfällung bis zur Reduktion der Polyphenole mittels PVPP.
Geschmacksstabilität
Die Fachwelt ist sich einig, dass eine Vermeidung oder Verringerung von Sauerstoffaufnahmen den wichtigsten Teil ausmacht, um eine möglichst lange Geschmacksstabilität zu erreichen. Dafür werden etwa Tanks mit Inertgas vorgespannt, zudem werden sie oft unter diesem Stoff gereinigt, um keine entsprechenden Verluste hinnehmen zu müssen. Ist das Inertgas CO2, so ist mit Erhaltung des Gases nur eine saure Reinigung möglich. Wird N2 verwendet, so sind gelöste N2-Gehalte im Bier zu beachten, um ungestörte Abfüllleistungen zu erreichen und keine untypischen Schaumstrukturen beim Konsumenten zu erzeugen. Alternativen wie beispielsweise Argon wären empfindlich teuer.
Grundsätzlich sollten Tankdrücke so gering gewählt werden, wie sie dem CO2-Partialdruck des Bieres entsprechen und für nötige Druckerhöhungen Pumpen eingesetzt werden. Bei der Filtration wird empfohlen, unbedingt mit entgastem Wasser zu arbeiten. Sauerstoffgehalte von unter 0,2 Milligramm pro Liter sind dabei anzustreben – ebenso für Ausschubwasser beispielsweise bei der Kurzzeiterhitzung – denn unentgastes Wasser weist rund 10 Milligramm pro Liter auf.
Die Sauerstoffmessung bei der Prüfung von Ausschubprozessen mit Mischphasentrennung zeigt dabei früher einen Missstand auf als beispielsweise die Stammwürzemessung. Heutige Anforderungen und Möglichkeiten lassen es sinnvoll erscheinen, sogar die bisher gewohnte Einheit Milligramm pro Liter (~ Parts per million) für die Sauerstoffaufnahmen zu verlassen und auf die handlichere Einheit Mikrogramm pro Liter (~ Parts per billion) umzusteigen. Biere vor der Abfüllung weisen nicht selten 5 Mikrogramm pro Liter und darunter auf, das ist also weniger als 0,005 Milligramm pro Liter. Waren vor wenigen Jahren noch Füllsysteme üblich, die Gesamtsauerstoffaufnahmen von 150 Mikrogramm pro Liter erreichten, sind mittlerweile mit entsprechender Technologie sogar 20 Mikrogramm pro Liter möglich.
Bestimmung des Gesamtsauerstoffs
Der Gesamtsauerstoff, häufig als TPO für „total package(d) oxygen“ bezeichnet, beinhaltet sowohl den im Bier gelösten Sauerstoff als auch jenen, der sich im Kopfraum eines verschlossenen Behälters befindet. Die Methode der Bestimmung der „Luft im Kopfraum“ mittels Überleitung dieses Kopfraumgases in eine mit Lauge gefüllte Bürette zur Adsorption des CO2 wird zwar aus Gründen der Einfachheit heute noch angewendet. Doch die Gaszusammensetzung im Kopfraum besteht eben nicht nur aus CO2 und Luft mit dem üblichen Sauerstoffgehalt. Damit ist die „Luft im Kopfraum“ für eine Bestimmung des TPO weniger gut geeignet. Für eine präzise Bestimmung des Gesamtsauerstoffs stehen Messgeräte zur Verfügung, die mehr oder minder automatisch sowohl den Kopfraumsauerstoff als auch den Sauerstoff, der im Getränk gelöst ist, messen können. Zusammen mit Temperatur- und komplexen Druckmessungen werden damit vollautomatisch das Kopfraumvolumen, der CO2-Gehalt und sogar andere gelöste Gase berechnet.
Vor fast 40 Jahren haben die Braumeister Uhlig und Vilachá der Polar Brauerei in Caracas, Venezuela, eine Formel entwickelt, um mittels eines Sauerstoffmessgeräts für gelösten Sauerstoff und der Ermittlung von Temperatur, Kopfraum- und Füllvolumen den TPO ebenso mit hoher Präzision zu bestimmen. Die Behälter sind hierfür in einen Gasgleichgewichtszustand zu bringen, was durch Schütteln bewirkt wird. Diese Methode hat den großen Vorteil, dass mit ein und demselben tragbaren Gerät alle Prozessschritte bei der Bierbereitung und Abfüllung kontrolliert werden können, selbst Gas-in-Gas-Messungen sind damit mittlerweile möglich; für Messungen aus Flaschen oder Dosen ist lediglich eine zusätzliche Anstechapparatur mit Inertgasversorgung nötig. Der gelöste Sauerstoff eines im Gasgleichgewicht stehenden Getränks in einer Flasche oder Dose muss schließlich mit einem berechneten Faktor multipliziert werden, um den TPO zu erhalten. Bei üblichen Behältern und Abfülltemperaturen liegt dieser Faktor zwischen 2 und 3. Moderne Abfüllmaschinen erreichen Messwerte von gelöstem Sauerstoff, die an geschüttelten Behältern sogar unter denen liegen, die vor der Füllmaschine gemessen werden. Messungen an ungeschüttelten Behältern ergeben im Vergleich Informationen über die Wirksamkeit der unverzichtbaren Aufschäumung vor dem Verschließen beziehungsweise der Konstruktion und Einstellung der Unterdeckelbegasung bei einem Dosenverschließer.
Dieser Vergleich deckt auf: Der Füllvorgang als solcher trägt bei modernen Füllsystemen nur 10 bis 20 Prozent des Gesamtsauerstoffs in einem abgefüllten und verschlossenen Behälter bei. Die Sauerstoffaufnahme beim Füllen ist stets im Verhältnis mit dem dafür notwendigen Inertgasverbrauch zu sehen. Wenn früher selbst bei hohen Verbräuchen derartig niedrige Sauerstoffaufnahmen nicht möglich waren, womöglich als nicht notwendig erachtet wurden, so sind mittlerweile bedeutende Verbesserungen erzielt worden. Je nach notwendigem oder gewähltem Füllverfahren ist ebenfalls die Verwendung von N2 möglich – dieses kann heute durch Molekularsiebe preislich attraktiv eigenerzeugt werden.
Entwicklung nachhaltiger Technologien
Mit moderner Technologie realisieren Brauereien eine verlässliche Qualität bei der Produktion ihrer Biere mit einem niedrigen Sauerstoffgehalt. Vor allem macht diese die Verwendung von Zusatzstoffen wie Bisulfit oder Ascorbinsäure als Sauerstofffänger überflüssig. An genau diesem Punkt hat KHS mit der Entwicklung des modularen Füllsystems Innofill Glass DRS ECO angesetzt. Das ist inzwischen in der Praxis angekommen. Unter anderem vertraut die Oettinger Brauerei in Mönchengladbach auf die Lösung. Nach Angaben des Kunden erlaubt der Füller eine sauerstoffarme Abfüllung, die es in dieser Form bisher nicht gab.
Weniger Sauerstoff, geringerer CO2-Verbrauch
Denn die neue Füllmaschine lässt weniger Sauerstoff ins Bier – und benötigt dafür nicht mehr, sondern weniger CO2 als ihre Vorgänger. Bei der Abfüllung von Flaschen macht ein neuartiger Hohlsondenfüller es möglich, dass bei erheblich reduziertem CO2-Bedarf auf der einen Seite noch geringere Sauerstoffaufnahmen auf der anderen Seite möglich sind. Zunächst wird der Behälter über den Vakuumkanal evakuiert und dann mit CO2-Gas gespült. Hierbei kommt ein von KHS patentiertes Spülverfahren zum Einsatz. Anschließend wird der Behälter wie üblich mit dem Inertgas auf Abfülldruck vorgespannt. So ist die extrem geringe Gesamtsauerstoffaufnahme von 20 Parts per billion bei einem CO2-Verbrauch von 160 Gramm pro Hektoliter möglich. Bei weiter verringertem CO2-Verbrauch auf beispielsweise 110 Gramm pro Hektoliter, das ist halb so viel wie bisher üblich, ist immer noch eine sehr geringe Gesamtsauerstoffaufnahme von 40 Parts per billion erreichbar. Die gewünschte Gesamtsauerstoffaufnahme kann regelrecht ausgewählt werden: So kann eine automatische Sortenumstellung auf beispielsweise ein besonders sauerstoffempfindliches kaltgehopftes Bier, ein sauerstoffunempfindlicheres Dunkles oder auf eine völlig andere Füllung für Limonaden bei größtmöglicher CO2-Einsparung eingestellt werden.
Viele Brauereien müssen Kohlensäure zukaufen. Durch den steigenden Preis ist das ein wachsender Kostenfaktor. Je geringer der Verbrauch für die abgefüllte Flasche, desto effizienter ist die Produktion, und je geringer die Sauerstoffaufnahme, desto besser die Produktqualität. Diese beiden Punkte hat KHS mit dem Innofill Glass DRS ECO in Einklang gebracht. Zudem sorgen digitale und automatisierte Systeme für eine Synchronisierung der Abfüllprozesse und damit für eine Effizienzsteigerung.