Damit Lebensmittel bedenkenlos genossen werden können, ist unter anderem deren Frischezustand ein wichtiger Faktor. Diesen zu bewerten ist allerdings hochkomplex. Vor allem bei Frischeprodukten wie Fleisch, Milch oder Obst verändert sich die vorhandene Mikroflora kontinuierlich, zudem unterliegen die Produkte dynamischen physikochemischen Veränderungen. Um die Qualität der Erzeugnisse bis zu deren Verkauf optimal zu bewerten, ist ein kontinuierliches Monitoring erforderlich – aktuell ist das jedoch noch nicht ausreichend möglich. Um den Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher und die Sicherheit von Lebensmitteln zu erhöhen, soll im »Zukunftslabor2030« mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) und dem Einsatz neuer Technologien ein noch besseres und nachhaltigeres Lebensmittel-Monitoring entwickelt werden. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Der Weg von Lebensmitteln ist lang, bis sie von der Herstellung auf den Teller gelangen. Die zahlreichen Stationen bergen vielfach Faktoren, die die Produktqualität negativ beeinflussen können. Beispiele dafür sind Unterbrechungen in der Kühlkette, Verunreinigungen von Transportbehältnissen, falsche Lagerung oder mangelnde Hygiene. Um die Lebensmittelqualität und ‑sicherheit bestmöglich zu bewerten, ist ein durchgängiges Monitoring der mikrobiologischen Veränderungen entlang der gesamten Prozesskette, von der Herstellung über die Lagerung bis hin zum Verkauf, erforderlich.
Dies ist jedoch aufgrund aktueller Techniken und spezialisierter Analysen, die in der Regel im Labor stattfinden, mitunter nicht ausreichend zu realisieren und erfordert zudem häufig einen sehr hohen Aufwand bei Lebensmittelunternehmen. Damit zukünftig eine einfache und vor allem kontinuierliche Überwachung und Prognose möglich ist, hat sich das interdisziplinäre Experten-Team des Projekts »Zukunftslabor2030« das Ziel gesetzt, die Grundlagen für den Einsatz KI-basierter Methoden im Bereich der Lebensmittelqualität und ‑sicherheit zu schaffen. Moderne analytische Verfahren in Verbindung mit KI und Datenanalyseverfahren sollen ermöglichen, dass z.B. die Auswirkungen von Prozessänderungen sofort bewertet werden können. Somit wird die Lebensmittelsicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher noch weiter optimiert. Zudem birgt das KI-System das Potential, durch eine Echtzeit-Bewertung des tatsächlichen Frischezustands – auf Basis von Produkt‑, Produktions- und Transportdaten – die Qualitätsprognose von Lebensmitteln grundlegend zu verbessern.
Exaktere Prognosen mithilfe des Digitalen Zwillings
Zentrales Element des »Zukunftslabor2030« stellt der Digitale Zwilling dar. Mit dieser Methodik wird ein digitales, KI-basiertes Lebensmittel-Monitoring geschaffen, das mittels Daten von innovativen Messverfahren wie Spektroskopie, Massenspektrometrie oder Volatilom-Analyse stets dazu lernt und sich ständig durch neue Daten aktualisiert. Durch die Integration verschiedenster Messdaten werden im Projekt die wichtigsten chemischen, physikalischen und biologischen Prozesse von Lebensmitteln – und damit das gesamte komplexe System Produkt-Mikrobiom – durch Computermodelle digital beschrieben. Die in der Cloud erfassten Daten bilden den Digitalen Zwilling. Dabei ist jeder Digitale Zwilling wie jedes natürliche Lebensmittel spezifisch. Um die Variationen und auch Messungenauigkeiten bei der Erstellung aufzufangen, werden statistische Wahrscheinlichkeitsaussagen mittels des Digitalen Zwillings über den Zustand eines individuellen Lebensmittels getroffen. Durch kontinuierliches Lernen des Digitalen Zwillings kann der Zustand eines Lebensmittels zukünftig besser und genauer beschrieben werden. Zudem ist es mit diesem Ansatz zukünftig möglich, im zeitlichen Verlauf die Änderung der Qualität und damit die Sicherheit eines Lebensmittels vorherzusagen.
Neue Technologien und Verfahren für die Lebensmittelüberwachung
Zur Erfassung der Daten setzt das Fraunhofer IVV erstmals kleine, digitale Gassensoren ein, die eine kontinuierliche Überwachung des Produkts ermöglichen und unerwartete Umwelteinflüsse detektieren. Dazu werden analytische Verfahren zur Zustandsbeschreibung eines Lebensmittels genutzt. All diese Daten werden in der Cloud erfasst und mit weiteren Labordaten der Partner im Digitalen Zwilling abgebildet. Mit den Ergebnissen kann unter anderem die Qualitätsprognose des Produkts an den tatsächlichen Lagerzustand angepasst werden. Zum Einsatz kommen dabei Gassensorik, Head-space-Gaschromatographie mit Massenspektrometrie (HS-GC-MS), Gaschromatographie (gekoppelt) mit Ionenmobilitätsspektrometrie (GC-IMS), Sauerstoffmessung bzw. die Bestimmung von Sauerstoffzehrraten sowie Hyperspektraldetektion zur Analyse und Charakterisierung gezielt gealterter und frischer Fleischproben. Zusätzlich werden bei den Partnern Mikrobiomanalysen durchgeführt.