Der „Green Deal“ ist ein zentrales Element der legislativen Agenda der neuen EU-Kommission für die nächsten fünf Jahre. Kommt alles so, wie es die EU-Präsidentin Ursula von der Leyen plant, soll das europäische Wirtschaftssystem so umgestaltet werden, dass schnell und in großem Stil Treibhausgase eingespart werden können, um die globale Erderwärmung einzudämmen. „Die Kreislaufwirtschaft spielt hier eine Schlüsselrolle“, betont Peter Kurth. So wären laut dem Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs‑, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. (BDE) vom Green Deal unter anderem ein noch stärkerer und vor allem verpflichtender Einsatz von Recyclingmaterialien in der Produktion zu erwarten.
Die Kreislaufwirtschaft vermeidet mehr Treibhausgase als sie erzeugt
Dabei kann die deutsche Abfall- und Recyclingwirtschaft an die bereits erbrachten Klimaschutzleistungen anknüpfen. So hat sie laut dem Verein „Klimaschutz durch Kreislaufwirtschaft e.V.“ in den vergangenen 20 Jahren durch einen erfolgreichen Transformationsprozess mehr als 87 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2)-Äquivalente pro Jahr eingespart. „Damit dürfte die Abfall- und Recyclingwirtschaft die einzige Wirtschaftsbranche sein, die durch ihre Geschäftstätigkeit mehr Treibhausgase vermeidet als sie erzeugt“, unterstreicht Ernst-Peter Rahlenbeck, der Vorsitzende von „Klimaschutz durch Kreislaufwirtschaft“. Die im Jahr 2014 gegründete Initiative setzt sich aus Verbänden und Unternehmen der Kreislaufwirtschaft zusammen.
Potenziale durch umfangreicheres Recycling
„Zusätzlich zu den bisherigen Erfolgen kann die Kreislaufwirtschaft in ihrem Verantwortungsbereich noch erhebliche weitere Klimaschutzpotenziale realisieren“, ist sich Dr. Jochen Hoffmeister sicher. Möglich ist dies laut dem Experten des Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos durch technologische Verbesserungen in der gesamten Wertschöpfungskette – von der Sammlung über die Sortierung bis zur Verwertung. Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse), verdeutlicht: „Die Recyclingbranche versorgt Industrie, Handwerk und Gewerbe mit Sekundärrohstoffen, was einen großen Beitrag zur Energieeinsparung und damit auch zum Klimaschutz leistet. In der Stahl‑, Glas- und Papierbranche zeigt sich das durch hohe Einsatzquoten der Sekundärrohstoffe sehr eindrucksvoll. Ein hohes Klimaschutzpotenzial gibt es zudem besonders im Kunststoffbereich, aber auch beim Einsatz von Recyclingbaustoffen.“ Nach Angaben des „Klimaschutz durch Kreislaufwirtschaft e.V.“ werden schon heute durch den Einsatz von Recyclingrohstoffen jährlich rund 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Durch verstärktes Recycling seien weitere rund acht Millionen Tonnen realisierbar.
Rolle der thermischen Abfallbehandlung und der Deponien
Um die aktuell aufgestellten EU-Ziele für den Umgang mit Siedlungs‑, Gewerbe- und Industrieabfällen zu erfüllen, wird – neben den Recyclingpfaden – bis zum Jahr 2035 eine Restabfallbehandlungskapazität von 142 Millionen Tonnen benötigt. Dies errechnete der europäische Dachverband der Müllverbrennungsanlagen-Betreiber CEWEP. Nach seinen Angaben haben die Müllheizkraftwerke und Ersatzbrennstoffanlagen in Europa zusammen derzeit eine Kapazität von 101 Millionen Tonnen. „Die Thermischen Abfallbehandlungsanlagen trugen durch das Vermeiden entsprechender Deponiegasemissionen schon in der Vergangenheit massiv zur Treibhausgasemissionsminderung der Kreislaufwirtschaft bei. Sie leisten darüber hinaus weitere wertvolle Beiträge zum Klimaschutz – unter anderem durch die Substitution fossiler Energieträger sowie durch die Verwertung von Metallen und mineralischen Ersatzbaustoffen aus den Verbrennungsrückständen“, erläutert Carsten Spohn, CEWEP-Vizepräsident und Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (ITAD e.V.). Nach ITAD-Informationen entlasteten die Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland im vergangenen Jahr die Atmosphäre damit um rund sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente – ohne Berücksichtigung des historischen Beitrags.
Einen wesentlichen Anteil am Emissionsrückgang während des letzten Jahrzehnts hatte die Schließung der Deponien für unvorbehandelte Abfälle in Deutschland im Jahr 2005. Im September 2019 verpflichteten sich die deutschen Deponiebetreiber freiwillig, die Restemissionen der Deponien noch weiter und vor allem schneller zu reduzieren. So soll zum einen die Gasfassung auf den vorhandenen Deponien noch weiter intensiviert werden. Zum anderen sollen Deponien mit nur noch geringer Gasproduktion belüftet werden, indem über die vorhandenen Gasbrunnen Luft in den Deponiekörper eingeleitet wird. Dies bewirkt, dass sich die abgelagerten organischen Abfälle schneller zersetzen und somit die Produktion des Klimagases Methan deutlich reduziert wird. „Unser erklärtes Ziel ist es, bis zum Jahr 2027 zusätzlich eine Million Tonnen CO2-Äquivalente einzusparen“, kündigt Hartmut Haeming, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Deutsche Deponiebetreiber e.V. (InwesD), an.
Auf der IFAT: Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft
Einen branchenweiten Überblick – gerade auch über die Klimaschutzeffekte – verspricht die Neuauflage des „Statusberichts der deutschen Kreislaufwirtschaft“, der auf der IFAT 2020 veröffentlicht wird. Die von fast allen relevanten Verbänden getragene und von der Messe München unterstützte Publikation soll ein umfassendes und abgestimmtes Bild der gesamten Branchentätigkeit liefern.
Die Bedeutung des Klimaschutzes in der aktuelle Umwelttechnologie wird zudem zentrales Thema im umfangreichen Rahmenprogramm der Messe sein.