Die Flut gefälschter Arzneimittel, die in die Lieferkette gelangen, gibt Anlass zu großer Sorge. Die Folgen können Klagen, Schäden am Markenimage und, schlimmer noch, gesundheitsschädigende Vorfälle sein. Dieser Sachverhalt veranlasste Pharmaunternehmen daher zur Suche nach Serialisierungsmethoden, um Unstimmigkeiten in der gesamten Lieferkette zu begegnen. Im Versuch, die Sicherheit an mehreren Berührungspunkten zu erhöhen, verlassen sich viele Unternehmen auf Technologien, die Track and Trace (Rückverfolgung) ermöglichen, dabei zeichnet sich eine mögliche Lösung mit inhärenten Tracking-Funktionen als starke Abwehrmaßnahme aus: die Blockchain. Die Blockchain steckt jedoch noch in den Kinderschuhen und die Implementierung dieser neuen Technologie stellt die aktuellen digitalen Infrastrukturen vieler Pharmaunternehmen vor eigene Herausforderungen. Um diese erfolgreich zu bewältigen, teilen drei Experten ihre Erkenntnisse über den Einsatz von Blockchain als Mittel gegen Störungen in der Lieferkette und mehr.
Sich von Fälschern nicht abhängen lassen
Tom Egan, Vizepräsident, Industriedienstleistungen, PMMI, The Association for Packaging and Processing Technologies (Verband für Verpackungs- und Verarbeitungstechnologien): Da Fälschungen immer besser werden, gestaltet sich die Unterscheidung echter Produkte von Nachahmungen immer schwieriger. Häufig werden abgelaufene Produkte gestohlen, umgepackt und mit gefälschten Daten und Dosierungsinformationen neu gekennzeichnet. Allein die Prüfung von Verpackungen und entsprechenden Etiketten reicht nicht mehr aus, um die Echtheit eines Produkts festzustellen, zumal die Maschinen, mit denen diese Produkte umgepackt werden, oft so ausgereift sind wie die der Originalhersteller.
Infolgedessen richten Pharmaunternehmen — neben Herstellern aus vielen anderen Branchen — ihr Augenmerk auf Blockchain als mögliche Lösung, um einen leicht verständlichen Verifizierungspfad zu schaffen. Die erfolgreiche Implementierung von Blockchain-Lösungen kann verhindern, dass gefälschte Arzneimittel in das System gelangen, indem sie jede Transaktion entlang der Lieferkette überprüfen und Produktinformationen sicher speichern. Die reale Anwendung befindet sich jedoch noch in der Konzeptphase. Während sich diese Technologie als ein gangbarer Weg für die Rückverfolgung eines Produkts erweisen kann, zögern Pharmaunternehmen aufgrund der breiten Verfügbarkeit von Produktinformationen, die jedem in der Lieferkette mit Zugang zum Netzwerk bereitstehen. Dennoch könnte die Blockchain als praktikable Lösung dienen, um bei der Bekämpfung der wachsenden Epidemie gefälschter Arzneimittel zu helfen, solange die Fortschritte in Technologie und Prozess diese Bedenken ausräumen können. In der Zwischenzeit halten sich Pharmaunternehmen ihre Optionen offen, indem sie sich andere Methoden zur Fälschungsprävention näher ansehen, wie den Einsatz von verdeckten Etiketten mit RFID-Technologie (Radio Frequency Identification), Barcodes oder Webportalen, die bei ihrer Ankunft in den Einrichtungen überprüft werden. Dies hilft Unternehmen, die Echtheit ihres Produkts sofort nach eingegangener Auslieferung zu überprüfen.
Im Jahr 2013 kündigte die Federal Drug Administration (FDA; US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde) den Drug Supply Chain Security Act (DSCSA; Gesetz zur Sicherheit von Arzneimittellieferketten) an, um den Nutzen der Serialisierung zu verstärken. Um die neuen Anforderungen der FDA zu erfüllen, starteten viele Unternehmen Pilotversuche mit Kameras, um Verpackungen mit einem integrierten Code zurückzuverfolgen. Unternehmen haben jedoch Schwierigkeiten, ein System zu schaffen, in dem keine etablierten Industriestandards zu folgen sind. Um diese Hürde zu nehmen, arbeitet die FDA weiterhin daran, andere Bestimmungen innerhalb des DSCSA umzusetzen, die als zusätzliche Richtlinien für die Serialisierung dienen, allerdings können Validierungsverfahren Monate oder sogar Jahre dauern — und die daraus resultierenden Lösungen ermöglichen möglicherweise keine einfache Überprüfung der Produktechtheit durch den Verbraucher, wie es die Blockchain könnte.
Beschleunigung der Implementierung durch die DSCSA?
Rick Fox, Präsident und CEO, FOX IV Technologies: Der Reiz der Blockchain liegt in der Schaffung eines vertrauenswürdigen Netzwerks, dem eine cloudbasierte Umgebung zugrunde liegt, die fast unmöglich zu hacken ist. Viele Unternehmen, die ein höheres Sicherheitsniveau in der Lieferkette anstreben, haben Schwierigkeiten diesen Standards gerecht zu werden. Tatsächlich gaben nur 15 Prozent der Hersteller in Europa an, dass sie die Frist mit einem geeigneten Serialisierungsprozess einhalten können, der 2017 durch die EU-Arzneimittel-Fälschungsschutzrichtlinie (FMD) vorgeschrieben ist. Einige Unternehmen reagierten auf diese Anordnung, indem sie exklusive interne Systeme zur Bekämpfung des Fälscherproblems entwickelten. Allerdings sind solche Systeme aufgrund ihrer Abhängigkeit von Passwörtern für die Dateneingabe immer noch anfällig für Hacking.
Obwohl die Blockchain noch in den Kinderschuhen steckt, ist ihr Potenzial zur Verbesserung der Serialisierung nicht unbemerkt geblieben. Im Zuge der Durchsetzung des DSCSA hat die FDA begonnen, Pilotprogramme mit Blockchain-Technologie zu fordern. Dies könnte die Implementierung von Blockchain innerhalb der nächsten fünf Jahre anregen. Es ist möglich, dass bis 2023 die Blockchain-Technologie in der Pharmaindustrie nicht mehr nur theoretisch, sondern realistisch betrachtet werden kann. Inzwischen sind die Anbieter von Druck- und Etikettierlösungen bereit, willens und in der Lage, bei der Implementierung von Blockchain zu helfen, um die Sicherheit der pharmazeutischen Lieferketten zu erhöhen.
Abwägung aller Überlegungen
Bill McBeath, Chief Research Officer, Chainlink Research: Unternehmen, die sich mit gefälschten Arzneimitteln befassen, können sowohl Serialisierungs- als auch Nicht-Serialisierungsmaßnahmen gegen Fälschungen in Betracht ziehen. Nicht serialisierte Methoden beinhalten schwer zu fälschende Markierungen auf den Medikamenten oder der Verpackung zur Authentifizierung von Produkten. Die DSCSA schreibt die Serialisierung zur Bekämpfung von Fälschungen vor. Gemäß den Vorgaben des Gesetzes sollten ab November 2017 alle Arzneimittel in homogenen Fällen serialisiert und konform mit den Richtlinien der FDA zur standardisierten numerischen Identifizierung sein. Das Gesetz besteht weiterhin, aber die Anwendbarkeit wurde verschoben. Das Gesetz schreibt außerdem vor, dass der Großhandel bis November 2019 nur noch serialisierte Arzneimittel akzeptieren darf, dasselbe gilt für Apotheken ab 2020. Es bleibt abzuwarten, in welchem Zeitrahmen diese Anforderungen konsequent umgesetzt werden. Eine Bewertung von GS1 im Oktober 2018 ergab, dass nur 20 Prozent der Arzneimittel vollständig konform sind.
Während Blockchain irgendwann eine Lösung für den Aufbau eines sicheren Rückverfolgbarkeitsprozesses für Pharmaunternehmen darstellen kann, setzen viele Unternehmen andere, bereits bestehende, viel ausgereiftere und erprobte Technologien für die Serialisierung und Rückverfolgbarkeit ein. Darüber hinaus ist die Blockchain-Datenstruktur langsam bei der Suche. Die Verwendung von Blockchain zur Rückverfolgbarkeit erfordert eine Schattendatenbank, die für eine gegebenenfalls erforderliche Suche optimiert ist, wie zum Beispiel bei einem Produktrückruf oder zum Auffinden einer Produktkette für eine bestimmte serialisierte Einheit. Tatsächlich müssen die Benutzer die Blockchain mit einer Reihe anderer Technologien kombinieren, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Blockchain bietet eine hohe Unveränderlichkeit, was bedeutet, dass die einmal geschriebenen Daten niemals geändert werden können. Dies bietet sehr zuverlässige Prüfpfade, die dazu beitragen können, Betrug innerhalb der Lieferkette zu vermeiden.
Mehr auf der Healthcare Packaging Expo
Während sich die meisten Unternehmen in der explorativen Einführungsphase der Blockchain befinden, bietet die Healthcare Packaging Expo, die gemeinsam mit der Pack Expo Las Vegas 2019 angesiedelt ist, Arzneimittelherstellern und Herstellern von medizinischen Geräten eine hervorragende Gelegenheit, sich zu vernetzen und den sich ändernden Anforderungen an Track-and-Trace-Lösungen zu begegnen. PMMI, die Association for Packaging and Processing Technologies, als Eigner und Produzent der Shows, bietet in deren Rahmen auch Bildungsprogramme sowie Möglichkeiten, Ideen zwischen den Branchen auszutauschen.