Standards und Normen können sehr nützlich sein, insbesondere beim Bau und Betrieb komplexer Chemieanlagen. Standards erleichtern allen Beteiligten das Verständnis für und die Übersicht über eine Anlage. Sie schaffen Effizienz in der Konstruktion durch einheitliche Vorgehensweise, Eindeutigkeit und Nachvollziehbarkeit. Im Betrieb macht dann eine eindeutige und allgemeinverständliche Dokumentation Wartung und Umbauten ebenfalls effizient. Bei Ausschreibungen erleichtern internationale Normen die Vergleichbarkeit der Angebote erheblich.
Doch ein Standard ist immer nur so gut wie seine Verbreitung. Sein voller Nutzen hängt vom tatsächlichen Einsatz in der Praxis ab. Hier hat die IEC 81346, die die Strukturierung von Anlagen regelt, noch Nachholbedarf. Die Norm ist hochkomplex und stellt ebensolche Anforderungen an alle, die damit projektieren. Sie schreibt den Aufbau einer Anlage als Objektmodell mit den drei unabhängigen Sichten „Produkt“, „Funktion“ und „Aufstellungsort“ vor. Diese Unabhängigkeit beschleunigt späteres variables Zuordnen erheblich – wenn das entsprechende CAE-System damit umgehen kann. Die alte Abhängigkeit von „Produkt“ und „Ort“ machte Strukturänderungen sehr aufwändig.
Bei inländischen Planungsaufgaben wird die Norm vielfach noch nicht in der Praxis angewandt, denn sie erfordert ein Höchstmaß an Durchgängigkeit und Überblick, das mit herkömmlichen CAD/CAE-Tools nur schwer umzusetzen ist. Doch wenn es um internationale Projekte geht, ist IEC 81346 Pflicht, niemand kommt daran vorbei.
Keine Angst vor der 81346!
Dem Hannoverschen System-Entwickler Aucotec ist es als erstem CAE-Anbieter gelungen, die geforderten Sichten nicht nur grafisch abzubilden, sondern auch rein alphanumerisch und in voller Tiefe bearbeitbar zur Verfügung zu stellen. Der „Umweg“ über die Grafik wird mit der Software-Plattform Engineering Base (EB) überflüssig, der Workflow ist flexibel. Zeichnungen sind nicht mehr unabdingbarer Ausgangspunkt für den Strukturaufbau, sondern werden — bei Bedarf — aus der Struktur abgeleitet. In zeichnungsorientierten Werkzeugen existieren Objekte gar nicht ohne die grafische Darstellung, folglich kann ihnen dann auch kein Ort zugeordnet werden. Hat das Objekt eine grafische Entsprechung, besteht die Ortszuweisung meist nur aus Betextung ohne Logik. So müssen bei Änderungen die Aspekte per Hand oder über wiederholte Batchläufe erneut allen betroffenen Objekten zugeschrieben werden.
Das ist mit dem datenbankbasierten System EB nicht mehr nötig. Es ist grundsätzlich objektorientiert ausgelegt, und zwar so, dass sich die funktionale Objektstruktur aufbauen lässt, ohne dass vorher ein einziges Dokument oder Gerät angelegt werden muss. „Die von der IEC geforderte Unabhängigkeit ist bei EB Programm. Das macht die Umsetzung der IEC-Anforderungen in reale Projekte so einfach und konsistent wie mit keinem anderen System“, erklärt Martin Imbusch, Produktmanager bei Aucotec. „Komplexe Chemieanlagen mit ihren gigantischen Datenmengen lassen sich mit EB außergewöhnlich übersichtlich darstellen. Wie in der physischen Realität ist jede Ebene durchgängig nachvollziehbar: vom Gebäude zum Raum zum Schrank, zur Klemme, je nach Bedarf über Listen oder Grafiken“, so der Produktmanager, der seit über 20 Jahren Aucotecs Engineering-Lösungen für die Prozessindustrie mit prägt.
Automatisches Zugehörigkeits-Wissen
Die IEC-81346-gerechte Verlinkung aller vorhandenen Objekte samt ihrer untergeordneten Geräte und Bauteile mit den jeweils passenden Orts‑, Funktions- und Produkt-Aspekten kann extrem mühselig werden, erfordert höchste Konzentration und ermöglicht jede Menge Fehler. Schnell geht dabei der Überblick verloren. Und bei Verschiebungen oder Änderungen eines größeren Objektes, zum Beispiel beim räumlichen Umbau einer Warte, wird es enorm komplex, die manuell erarbeiteten Verflechtungen wieder auseinanderzunehmen und neu einzuordnen.
Engineering Base geht ganz anders vor: Durch die Datenbankbasierung, die alle Anlagen-Informationen – und damit auch ihre Struktur – zentral hält, lassen sich z. B. externe oder geänderte Projekte, wie sie im Anlagen-Lebenszyklus gang und gäbe sind, einfach per Drag & Drop in ein bestehendes IEC-Objektmodell integrieren. So kann ein zugelieferter Schaltschrank inklusive all seiner Geräte, von der Montageplatte über Baugruppenträger bis zur letzten Klemme, mit nur wenigen Mausklicks in die vorgegebene Ortstruktur eingeordnet werden. „Das ist so unkompliziert, weil sich alle Geräte immer an dem hierarchisch direkt über ihnen stehenden Objekt orientieren. Sobald ein Gerät einem anderen untergeordnet wird, weiß es, wo es hingehört“, erklärt Engineering-Experte Imbusch. „Wie nach einem realen Umzug steht mit EB also nicht nur der Schrank, sondern auch sein kompletter Inhalt an dem neuen Ort, ganz ohne lästiges Aus- und Einräumen.“
So werden Zuordnungen quasi nebenbei „vererbt“, Handarbeit entfällt. Das macht die Aspekte-Assoziierung untergeordneter Geräte entsprechend fehlerfrei und die Projektqualität profitiert zusätzlich. Durch das „eingebaute“ Zugehörigkeits-Wissen muss nur noch ein Minimum an Zuordnungen mitgeführt werden. „Ein unschätzbarer Vorteil bei Änderungen“, so Imbusch. „Manuelle, feiner graduierte Zuordnungen, beispielsweise eines bestimmten Funktionsaspektes zu einem Teilgerät, sind natürlich immer noch möglich“, ergänzt er.
Eine Bibliothek für alle(s)
Mit der Engineering-Plattform ist keine zweite Symbolbibliothek nötig, um normgerecht so projektieren zu können, dass die Shapes auch den Ortsaspekt ausweisen. Die meisten Tools brauchen diese zusätzliche Bibliothek, um alle drei Aspekte darstellen zu können. EB nutzt stattdessen die vorhandenen, in seiner Datenbank zentral verwalteten Symbolkonfigurationen und passt sie bei Bedarf quasi auf Knopfdruck an die IEC an. „Parallel können die Symbole zudem auch noch in anderen Standards verwendet werden“, betont Martin Imbusch.
Die Konfigurationen lassen sich speichern, anpassen, kopieren und exportieren. Ausnahmen können zentral definiert werden — Shapes für Layoutdiagramme beispielsweise brauchen andere Bezeichnungen als Stromlaufplansymbole. Detaillierung und Individualität kann der Anwender völlig frei nach Bedarf umsetzen.
Übersichtliche Multiframes
Für die sogenannten Frames oder Multiframes, also z. B. die aufgrund ihrer Komplexität verteilt dargestellten Geräte, die in einem Stromlaufplan mit einem Rahmen erscheinen, wirkt sich die zentral verwaltete Konfiguration der normgerechten Abbildung ebenfalls aus. Auch hier lassen sich Aspekte einfach ein- und ausblenden.
Zusätzlich wird, wenn alle drei Aspekte am Rahmen sichtbar sind, automatisch innerhalb des Rahmens nach diesen Aspekten „gekürzt“. Redundante Bezeichnungen im Rahmen fallen weg und erleichtern so Lesbarkeit und Verständnis erheblich.
Überblick mit Arbeitsblättern
Um den optimalen Überblick über sämtliche Zuordnungen zu behalten, bietet EB XLS-ähnliche Arbeitsblätter und Reports. „Die haben sich in der Praxis, vor allem auch bei der Bearbeitung von den in der Chemieindustrie üblichen Massendaten, sehr bewährt“, berichtet Imbusch. Diese Listen gewährleisten eine genaue Übersicht über jeden Aspekt jedes Bauteils oder Geräts. Gleichzeitig ermöglichen sie eine außerordentlich einfache Bearbeitung und Verwaltung aller Zuordnungen. Sie sind individuell konfigurierbar, die Informationen sortier- und filterbar.
Akzeptanz der Norm beschleunigen
Die Kombination all dieser Funktionalitäten macht die international verbindliche IEC 81346 praktikabel und konsistent umsetzbar. Projekte lassen sich schnellstmöglich im Sinne der Norm planen und abwickeln; die sich aus der IEC ergebenden Aufwände und Fehlerquellen sind auf ein Minimum reduziert. „Damit kann EB die Verbreitung und Akzeptanz der Norm deutlich beschleunigen“, so das Fazit von Martin Imbusch. Und so könnten die Vorteile, die die IEC 81346 mit sich bringt, mehr Projekten und Ingenieuren zugutekommen.