Wer um 1800 durch eine mitteleuropäische Stadt schlenderte, dem fielen allerlei Geschäfte auf. Doch eines suchte man im Vergleich zu heute vergeblich: Supermärkte. Die Lebensmittelversorgung war eine gänzlich andere. Lebensmittel wurden selbst hergestellt oder auf Wochenmärkten gekauft.
Mit der Erfindung der Dampfmaschine und der Eisenbahn folgte im 19. Jahrhundert ein grundlegender Wandel: die Entwicklung von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Urbanisierung, Bevölkerungswachstum, Nationalstaatsbewegung und technische Erfindungen setzten eine enorme Dynamik in Wirtschaft und Gesellschaft frei. Zeitgleich begann die Hochzeit des europäischen Kolonialismus. Der Übersee-Warenaustausch brachte neue Lebensmittel in die sogenannten Kolonialwarenläden. Die neuen Industriestädte mussten ernährt werden. Dabei stießen die herkömmlichen Formen der Lebensmittelversorgung an ihre Grenzen. Mit Safeway (1915) und Tesco (1919) entstanden heute noch bekannte Ketten. Längst konnte nicht mehr alles im Geschäft für den Verkauf vorbereitet werden. Die Intralogistik musste unterstützen: 1925 saßen bei der Firma Latscha Lebensmittel in Frankfurt Arbeiterinnen an einem Holzförderband des Dematic-Vorgängers Stöhr und tüteten Mandeln ein, die später im Ladengeschäft ihren Weg zum Kunden fanden.
An ein „Kauferlebnis“ dachte damals noch niemand: Man gab an der Theke den Einkaufszettel ab, dahinter wurde die Ware zusammengestellt. Doch dann veränderte die Einführung des Einkaufswagens 1937 in den USA das Einkaufen grundlegend. Bereits abgepackte Lebensmittel konnten in Regalen selbst ausgewählt werden. Die Bezahlung erfolgte an Kassen vor dem Ausgang. Aus dem Lebensmittelgeschäft mit Bedienungstheke wurde der Supermarkt mit Selbstbedienung und individuellem Kauf-erlebnis. In Deutschland kam diese Entwicklung später. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mit Beginn der wirtschaftlichen Erholung öffneten mehr und mehr Supermärkte. Allmählich stiegen Lebensstandard und Ansprüche der Deutschen wieder. Sie hatten Hunger nach neuen und frischen Lebensmitteln. Doch der Transport von exotischen Früchten wie Orangen oder Bananen war nicht einfach. Ab den 1950ern eroberte der Kreistransporteur der Firma Stöhr die Lebensmittelindustrie. Bald sausten Getränkekisten, schwere Fässer oder gar Bananenstauden durch die Lager der Lebensmittelgroßhändler und gelangten so schneller und schonender zum Versand.
Zeitgleich folgte in den USA der nächste Entwicklungsschritt: 1954 kamen erste Fahrerlose Transportsysteme (FTS) auf den Markt. Den Sprung in das digitale Zeitalter lieferte 1975 der Dematic-Vorgänger Demag mit der ersten Elektrohängebahn: Sie transportierte computergesteuert Traglasten von bis zu 2.400 Kilogramm – leise, effizient und platzsparend und dockte an weitere automatische Systeme wie Kräne und Förderbänder an. Mit der neuen Technik kamen immer mehr und preiswertere Lebensmittel auf den Markt. Die Erfindung des Barcodes und der Chipkarte erleichterten den Bezahlvorgang. Doch erste Lebensmittelskandale in den 1980ern führten zu einem Umdenken: Bio-Supermärkte entstanden und die Tiefkühlbranche boomte. So wurde das Zentrallager des Schweizer TK-Anbieters Frisco schon drei Jahre nach Inbetriebnahme 1985 mit Demag-Technik zum automatischen Tiefkühllager umgebaut. Aufgrund des Temperaturunterschiedes und mit Rücksicht auf die Bauteile musste dies bei ‑25° C und laufender Anlage erfolgen.
Die Einführung des Internets und erste E‑Commerce-Händler betrafen den Lebensmittelhandel zunächst nicht. 2000 wurde click&collect erstmals bei Argos in Großbritannien eingesetzt. Tesco nutzte ab 2004 RFID-Technologie. Diese eroberte auch bald die Intralogistik. 2008 realisierte Dematic für die Campina GmbH in Heilbronn ein Palettensystem mit RFID-Toren: Paletten mit RFID-Chips werden beim Passieren der Tore automatisch registriert und damit schneller verarbeitet.
Mit dem technischen Fortschritt entstand so eine E‑Food-Branche. 2007 wurde Amazon Fresh gegründet. Auch die Intralogistikspezialisten entwickeln immer neue Lösungen, um noch bestehende Hürden zu überwinden: Mit Automated Mixed Case Palletising (AMCAP) bietet Dematic eine umfassende Automatisierungslösung und kann dadurch Lieferzeiten verkürzen und Durchschlagszahlen erhöhen. Gerade der Einsatz von Robotern erweist sich als zukunftsweisend: So orderte 2018 der Lebensmittelhändler Drakes Supermarkets in Australien unter anderem das Dematic Roboter Piece Picking Module für die automatische Kommissionierung im neuen Distributionszentrum.
Die Möglichkeiten in der Intralogistik leiten für den E‑Food-Bereich aktuell eine neue Trendwende ein, die das Einkaufserlebnis erneut verändern. Denn wir sind wieder bei der Bedientheke angelangt: Zwar ist aus dem Bestellschein an der Theke ein Online-Warenkorb geworden und die Verkäuferinnen dahinter sind durch hochmoderne Logistikanlagen ersetzt. Doch das Prinzip der individuellen Bestellung und Bedienung ist wieder auf dem Vormarsch – ergänzt durch eine mögliche Lieferung bis nach Hause, in London, Berlin oder München sogar ein bis zwei Stunden nach Bestellung. Voraussetzung hierfür ist eine intralogistische Lösung, die im Spannungsfeld von Lieferkette und Einzelhandel noch schneller und akkurater und damit in Anbetracht der geringen Margen profitabel arbeitet. Die Antwort hierauf sind Micro-Fulfillment-Zentren, wie sie Dematic bietet: vollautomatisierte, äußerst kompakte und komprimierte Lager im urbanen Raum, die Online-Bestellungen autonom zusammenstellen und die Kosten für die letzte Meile minimieren, indem sie die Entfernung zum Kunden gering halten. Eine solche Micro-Fulfillment-Lösung installiert Dematic derzeit bei dem US-amerikanischen Einzelhändler Meijer Inc., der rund 250 Supermärkte und fast ebenso viele Tankstellen betreibt. Das System ermöglicht es dem Unternehmen, den verfügbaren Platz in seines Stores maximal auszunutzen, indem es nur gut 900 Quadratmeter Fläche in Anspruch nimmt. Innerhalb von maximal einer Stunde stellt die Dematic-Lösung in Zukunft vollautomatisch Online-Bestellungen zusammen.
In Deutschland verläuft diese Entwicklung zögerlich: Die Majorität besucht den Supermarkt seines Vertrauens um die nächste Straßenecke – hierzulande ist die Dichte der Supermärkte etwa zwei- bis dreimal höher als in Frankreich oder Großbritannien. Der Nutzen von Online-Lebensmittelbestellungen ist für die Kunden schlicht noch zu klein. Investiert wird daher in effizientere Prozesse am POS: Der Kunde registriert sich am Eingang mit seiner Kreditkarte, einer App oder biometrisch, geht einkaufen, scannt danach seine Waren selbst und checkt beim Verlassen wieder aus – der Bezahlvorgang läuft rein digital.
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