In alpinen Lagen reagieren Seen empfindlich auf den Klimawandel. Forschende unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), sowie der Fakultät für Geowissenschaften der Southwest Jiaotong Universität in Chengdu, China, haben die Veränderungen eines Sees auf dem nördlichen tibetischen Hochland seit dem Ende der letzten Eiszeit genau analysiert. Jahrtausendealte Sedimentproben zeigen starke ökologische Änderungen, bedingt durch steigende Temperaturen und den Einfluss von schmelzenden Gletschern. Dies galt schon am Ende der letzten Eiszeit, sowie Mitte der holozänen Epoche und könnte auch heute im Zuge des Klimawandels relevant werden. Die in Communications Earth & Environment veröffentlichte Studie zeigt auch, dass die Veränderungen zeitverzögert auftreten können.
Die Forschenden untersuchten am Hala Hu See die Dynamik des Wasserhaushalts und die zeitliche Abfolge der ökologischen Reaktionen im See und seinem Einzugsgebiet während und nach der Eiszeit. Die Studie liefert wichtige Informationen, wie sich gletscherbeeinflusste Gebirgsseen im Klimawandel entwickeln könnten.
„Es gibt wissenschaftliche Hinweise, dass bisher vom Menschen weitgehend unberührte Gebirgsseen recht empfindlich auf Ereignisse im Klimawandel reagieren werden. Um die Veränderungen und Prozesse besser zu verstehen, kann ein Blick zurück hilfreich sein – in diesem Fall haben wir etwa 23.000 Jahre zurückgeschaut.“
— Dr. Bernhard Aichner, IGB-Forscher
Sedimentkerne als Klimaarchiv und Biomarker als chemische Fossilien
Anhand von Sedimentkernen konnten die Forschenden die Ereignisse wie an einem Zeitstrahl ablesen. Das Probenmaterial wurde am Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam auf Biomarker untersucht. Das sind charakteristische Moleküle, die als chemische Fossilien über Tausende Jahre im Boden erhalten bleiben, obwohl der Organismus der sie hervorgebracht hat, lange verrottetet ist. Die allgemeine Sukzession, also das Auftreten und Verschwinden verschiedener Biomarkergruppen, repräsentativ für Gräser, Algen und Wasserpflanzen, zeigte die Ausbreitung und den Rückgang der Vegetation an Land und der Organismen im Wasser. Wasserstoffisotopen dieser Moleküle gaben Aufschluss über die Wasserflüsse von Atmosphäre, Gletscher und See.
Gebirgsseen reagieren empfindlich und deutlich zeitverzögert auf klimatische Veränderungen
Deutliche Schwankungen der Konzentrationen und Verhältnisse aquatischer Biomarker und der Wasserstoffisotopenwerte im Zeitraum von vor 15.000–14.000 und 8.000–5.000 Jahren weisen auf deutliche Verschiebungen des Wasserhaushalts und des ökologischen Gleichgewichts der Seen hin.
Wetter und Klima sind in weiten Teilen Asiens vom Monsun geprägt, dessen Stärke im Laufe der Jahrtausende abwechselnd zu- und abgenommen hat. Das Forschungsteam konnte zeigen, dass die Ökosysteme im See und seinem Einzugsgebiet deutlich und zeitverzögert auf diese hydroklimatischen Veränderungen reagierten. Dabei waren nicht erhöhte Niederschlagsmengen der Hauptauslöser für die Reaktionen der Ökosysteme, sondern die steigenden Temperaturen nach dem Ende der letzten Eiszeit, sowie während des holozänen Klimaoptimums, und damit verbunden der Rückzug der Gletscher und ein erhöhter Schmelzwasserfluss in den See.
„Es wurde wärmer und die Gletscher schmolzen. Diese Ereignisse wirkten sich deutlich auf die biologischen Prozesse im See und dem umgebenden Land aus. Insbesondere in den Seen sehen wir eine starke und sprunghafte Vermehrung von Algen, sowie Änderungen in der Zusammensetzung von Phytoplankton Gemeinschaften. Die Lehre daraus ist, dass wir Gebirgsseen in Zeiten des Klimawandels besonders im Blick behalten müssen. Sie werden sich in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich stark verändern. Und diese Veränderungen werden unter Umständen nicht sofort augenscheinlich sein“, sagt Bernhard Aichner.