Automatisierungslösungen sind aus Industrie und Alltag heute nicht mehr wegzudenken. Die Mechatronik fördert ihren weiteren Ausbau und erhöht die Vielfalt der Anwendungen. Elektromagnetische Bremsen helfen dabei, notwendige Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, um Lasten zu halten und im Notfall sicher abbremsen zu können. Doch Bremse ist nicht gleich Bremse, denn aus der Vielzahl der Anwendungen ergeben sich stark unterschiedliche Spezifikationen z.B. bezüglich Drehmoment oder Abmessungen. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach applikations-spezifischen Systemlösungen auch, um bei steigendem globalen Wettbewerbsdruck einen Technologievorsprung zu sichern. Bremsen-Hersteller, die ein breites Produktportfolio mit Branchenkenntnis und Applikations-Knowhow kombinieren, sind dann der richtige Ansprechpartner.
Zu den am meisten verbreiteten Sicherheitsbremsen für Aufzüge, Hängebahnen, Windkraftanlagen oder in der Medizintechnik, der Robotik und im Maschinenbau gehören Federdruck- und Permanentmagnetbremsen. Für beide Bremsentypen gilt, dass sie im stromlosen Zustand geschlossen sind. Es handelt sich damit um Sicherheitsbremsen; bei Stromausfall oder bei Versagen der Energieversorgung, z.B. durch Leitungsbruch, wird das System sicher gehalten. Darüber hinaus gibt es jedoch grundsätzliche Unterschiede, denn bedingt durch ihre Funktionsweise haben beide Wirkprinzipien jeweils charakteristische Eigenschaften, die sie für unterschiedliche Einsatzbereiche prädestinieren.
Permanentmagnet- oder Federdruckbremse?
Permanentmagnetbremsen sind Haltebremsen mit Notstoppfunktion. Im unbestromten Zustand wird der Anker bzw. der Rotor vom Permanentmagnetfeld gegen den Stator bzw. das Erregersystem gezogen. Im bestromten Zustand entsteht ein elektromagnetisches Feld, das die Anziehungskraft der Permanentmagnete aufhebt und so den Anker durch die Kraft der Federn zwischen Anker und Flanschnabe vom Erregersystem löst. Die Bremse lüftet. Durch die kraftschlüssige Verbindung zwischen Anker, Nabe und Welle ist die Permanentmagnetbremse spielfrei. Sie überzeugen durch höchste Drehmomente bezogen auf die Baugröße (Leistungsdichte), einen verschleiß- und restmomentfreien Betrieb (auch beim Motoranlauf) und kurze Schaltzeiten. Damit sind Permanentmagnetbremsen bestens geeignet für Servomotoren, beispielsweise in der Handhabungstechnik und Robotik. Eine einwandfreie Funktion erfordert eine präzise Luftspalteinstellung beim Einbau der Bremse.
Die klassische Federdruckbremse dagegen ist einfach aufgebaut, leicht zu montieren und hat deshalb nicht zuletzt einen vergleichsweise niedrigen Preis. Für viele Standardanwendungen ist sie
somit prädestiniert, insbesondere für Applikationen, die höchste Bremsenergien und große Bremsarbeit über die Lebensdauer erfordern. Dabei kann die Federdruckbremse auch als Arbeitsbremse eingesetzt werden. Sie wird üblicherweise an der B‑Lagerseite eines Elektromotors angebaut. Im unbestromten Zustand drücken Federn gegen die Ankerscheibe der Bremse. Die Reibbeläge des Rotors, der über eine Verzahnung mit der Motorwelle verbunden ist, werden zwischen dieser Ankerscheibe und der Anbaufläche der Bremse auf der Motorrückseite eingespannt. Wird die Spule der Bremse bestromt, baut sich ein Magnetfeld auf, das die Ankerscheibe anzieht und so den Rotor mit den Reibbelägen freigibt. Die Bremse lüftet.
Strategische Partnerschaften als Erfolgsgarant
Sowohl Federdruck- als auch Permanentmagnetbremsen haben ihre Berechtigung. Da bei der Auswahl sehr unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen sind, sollte der Anwender auf kompetente Beratung vertrauen. Dann ist es natürlich von Vorteil, wenn der beratende Bremsenhersteller beide Wirkprinzipien im Programm hat und seine Kunden neutral, sprich ohne Eigeninteresse berät.
Hier kommen die Mechatronik-Spezialisten der Kendrion (Villingen) GmbH ins Spiel (vgl. Kastentext). Ihr fundiertes Prozess-Knowhow in unterschiedlichsten Branchen sowie ein breitgefächertes Produktportfolio bieten gute Voraussetzungen, um die zunehmende Nachfrage nach kundenspezifischen System- und Integrationslösungen zu erfüllen. Die Spanne reicht von der Robotik, Fördertechnik und allgemeinen Maschinenbauanwendungen bis hin zu Windkraftanlagen, Sicherheits- oder Medizintechnik. Wie solche strategische Partnerschaften funktionieren und welche Ergebnisse sich erreichen lassen, zeigen die folgenden Beispiele:
High-Endlösung für medizinische Stativsysteme
Höchste Anforderungen an Hygiene, Sicherheit und Zuverlässigkeit sind die wesentlichen Merkmale, denen elektromagnetische Lösungen im Bereich der Medizintechnik gewachsen sein müssen. Das gilt auch für Bremsen, die in diesem Bereich eingesetzt werden. So hatte ein Anwender das Ziel, sich mit einem neuen Stativsystem den High-End-Markt für Operationsmikroskope zu erschließen. Die an den Achsen eingesetzten Bremsen mussten eine hohe Zuverlässigkeit bieten, bei kompakter Bauweise teilweise sehr hohe Kräfte erzeugen, eine hochgenaue Positionierung ermöglichen und ohne Abrieb arbeiten. Das Projektteam definierte und verifizierte diese Anforderungen, wobei es beim anschließenden Systemdesign sowohl technische als auch wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen galt. Letztendlich fiel die Wahl dann auf Permanentmagnetbremsen, deren an die Applikationsspezifikationen angepasstes Design auf einer soliden Produktbasis beruht. Alle Anforderungen wurden in der geplanten Zeit und dem veranschlagten Budget erfüllt; der Kunde generierte eine starke Marktposition im High-End-Segment.
Sichere Roboteranwendung
Ähnlich gestaltete sich der Ablauf bei einem Projekt in der Robotik. Restmoment- und Spielfreiheit sind hier die Kernanforderungen an die eingesetzten Bremsen. Zudem sind ein hoher Temperaturbereich und Verdrehspielfreiheit wichtig. Die Robotik entwickelt sich zunehmend weiter, wobei auch die Bremsen Schritt halten müssen. Es steht immer weniger Einbauplatz zur Verfügung; gleichzeitig sind immer höhere Drehmomente gefragt. Die Lösung dafür sind die Permanentmagnetbremsen der High-Torque-Serie von Kendrion.
Beim konventionellen Design der PM-Bremse gibt es Grenzen, z.B. was Spannungstoleranzen oder den Betriebstemperaturbereich anbelangt. Bei Betriebstemperaturen unter ‑5 °C beispielsweise
kann es zu Fehlfunktionen durch Überkompensation kommen, die PM-Bremse öffnet nicht mehr zuverlässig. Mit PM-Bremsen in „High-Torque“-Technologie ist das nicht zu befürchten. Die Grundlage liefert dafür ein völlig neuer Aufbau des magnetischen Kreises. Dieser patentierte Aufbau führt bei Bestromung der Spule, d.h. bei geöffneter Bremse, zu einem optimierten magnetischen Fluss. Dadurch entsteht ein höheres Drehmoment als bei konventionellen PM-Bremsen und selbst bei Temperaturen bis ‑40 °C gibt es keine Fehlfunktionen. Für anspruchsvolle Anwendungen sind die „High-Torque“-Bremsen deshalb die richtige Wahl. Das gilt nicht nur für die Robotik, sondern auch für Outdoor-Applikationen, z.B. bei Windkraftanlagen oder im Sicherheitsbereich. Allein in die Robotik liefert Kendrion mittlerweile ca. 100.000 High-Torque-Bremsen pro Jahr.
Steigende Anforderungen in der Aufzugstechnik
Sicherheit, Flexibilität und Dynamik sind die Kernanforderungen an Bremsen und Kupplungen im Bereich Transport. Ein typisches Beispiel hierfür findet sich bei einem weltweit führenden Hersteller von Industrie- und Baustellenaufzügen. Zunächst wurden in den Applikationen Standardfederdruckbremsen als Halte- und Arbeitsbremsen eingesetzt. Zunehmend steigende Anforderungen an die Haltefunktion erforderten jedoch eine höhere Energieaufnahme und einen größeren Korrosionsschutz. Gleichzeitig wollte der Hersteller die Variantenvielfalt reduzieren. Wieder definierte ein Expertenteam von Kendrion zusammen mit dem Kunden die genauen Spezifikationen. Für die Bremsen wurde ein thermisch sehr beständiger Reibbelag entwickelt und das Bremsendesign unter Berücksichtigung sämtlicher technischer und wirtschaftlicher Aspekte optimiert. Schlussendlich lassen sich nun mit wenigen Bremsenvarianten eine ganze Reihe unterschiedlicher Aufzugsapplikationen weltweit bedienen. Sowohl für den Anwender als auch für den Bremsenhersteller führte diese Entwicklung zu einem beachtlichen Marktwachstum. Branchenknowhow kombiniert mit einem soliden Produktportfolio als Basis für anwendungsspezifische Lösungen lieferte die Grundlage dafür.