Wasserstoff ist für die chemische Industrie ein wichtiger Rohstoff – und ein umweltfreundlicher Energieträger, etwa für Fahrzeuge mit Brennstoffzellen. Um das träge Molekül für chemische Reaktionen nutzbar zu machen, sind jedoch Reaktionsbeschleuniger nötig. Diese Katalysatoren enthalten meist teure Edel- oder giftige Schwermetalle. Ein Team der Universität Oldenburg und der TU Berlin um den Chemiker Prof. Dr. Thomas Müller hat nun mit Hilfe von Experimenten wichtige Hinweise darauf gefunden, wie neuartige, ungiftige Katalysatoren – frustrierte Lewis-Paare – Wasserstoff zur Reaktion bringen. Die Ergebnisse sind in der internationalen Ausgabe des Fachmagazins Angewandte Chemie erschienen.
Lewis-Paare bestehen aus einer Säure und einer Base und damit aus zwei Molekülen, die sich sehr stark anziehen und sich in ihrer Wirkung neutralisieren. Bestehen die Lewis-Paare jedoch aus besonders großen Molekülen mit einer speziellen Bauweise, können sie nicht zusammenkommen – sie sind „frustriert“. Vor gut zehn Jahren entdeckten Wissenschaftler, dass diese verhinderten Paare in der Lage sind, beispielsweise mit Wasserstoffmolekülen – die natürlicherweise aus zwei Atomen bestehen – einen Komplex zu bilden und das Molekül letztlich zu spalten.
Dabei besteht die Lewis-Säure aus einer Verbindung, die das Element Bor enthält; die Lewis-Base enthält das Element Phosphor. Bereits vor einigen Jahren fanden die Oldenburger Chemiker zudem heraus, dass statt Bor auch Verbindungen mit Silizium sich als Lewis-Säuren eigenen. „Diese Moleküle einzusetzen, um Wasserstoff zur Reaktion zu bringen, wäre wunderbar“, sagt Müller. Denn der Vorteil ist: Phosphor und Silizium kommen im Gegensatz zu Edel- und Schwermetallen sehr häufig in der Natur vor. Zudem sind sie billig und nicht giftig. Auf welche Weise frustrierte Lewis-Paare Reaktionen mit Wasserstoff auf die Sprünge helfen, haben Wissenschaftler bisher jedoch noch nicht verstanden.
Hier setzt die aktuelle Arbeit der Oldenburger Chemiker an: In Experimenten konnten sie erste Zwischenschritte der außergewöhnlichen Reaktion identifizieren. „Wir konnten in unseren Untersuchungen eindeutig zeigen, dass die frustrierten Lewis Paare sehr reaktive Verbindungen, sogenannte Radikale, bilden“, sagt Anastasia Merk, Doktorandin am Institut für Chemie der Universität und Erstautorin der Studie. Nach Ansicht von Müller seien die Erkenntnisse ein wichtiger Schritt, um die Reaktionsfreudigkeit der Lewis-Paare besser zu verstehen. Die Forscher müssen jedoch noch weitere Untersuchungen durchführen, um ihre Schlussfolgerungen verallgemeinern zu können.
Wann frustrierte Lewis-Paare auch in industriellen Prozessen eine entscheidende Rolle spielen könnten, sei bisher noch unklar, sagt Müller. Dies hänge vor allem von wirtschaftlichen Faktoren ab. Er sieht jedoch noch andere Anwendungen für die reaktionsfreudigen Moleküle – und zwar in der Pharmazeutischen Industrie: So könnten künftig Medikamente, bei deren Herstellung Wasserstoff reagieren muss, ohne giftige Metallrückstände hergestellt werden.
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