Ein Forschungsteam in „Nature Communications“ stellt einen neuartigen atomaren Sensor aus Bornitrid vor. Er beruht auf einem Qubit im Kristallgitter und ist vergleichbaren Sensoren überlegen.
Ein künstlich erzeugter Spin-Defekt (Qubit) in einem Kristallgitter aus Bornitrid eignet sich als Sensor, der verschiedene Veränderungen in seiner unmittelbaren Umgebung messen kann. Bei dem Defekt handelt es sich um eine Bor-Fehlstelle, die in einer zweidimensionalen Schicht aus hexagonalem Bornitrid liegt und einen Drehimpuls (Spin) hat.
Der Defekt reagiert sehr empfindlich auf seine atomare Umgebung, zum Beispiel auf die Abstände zu anderen Atomen oder Atomlagen.
„Dadurch kann man mit ihm lokal Magnetfelder, die Temperatur und sogar den Druck messen“, sagt Professor Vladimir Dyakonov, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Physik VI an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Gemessen wird rein optisch mit einem Laser – der Sensor kommt also ohne elektrische Kontaktierung aus.
„Durch das geschickte Ein- und Ausschalten von Mikrowellen verschiedener Frequenz kann der Spin-Defekt manipuliert werden, sodass sich unterschiedliche äußere Einflüsse wie Temperatur, Druck und Magnetfeld ableiten lassen.“
— Andreas Gottscholl, Physik-Doktorand der JMU
Was den neuartigen Sensor auszeichnet
Atomare Sensoren auf Basis von Spin-Defekten gibt es schon: Sie bestehen aus Diamant oder Siliziumkarbid und eignen sich für lokale Messungen von Temperatur und Magnetfeld. „Unser Bornitrid-Sensor reagiert zusätzlich auf äußere Druckänderungen und übersteigt die Empfindlichkeit der bisherigen Systeme, vor allem bei niedrigen Temperaturen.“, so Gottscholl.
„Neu bei unserem Spin-Defekt ist auch, dass er in einem zweidimensionalen Kristallgitter liegt. Gegenüber den etablierten dreidimensionalen Systemen aus Diamant oder Siliziumkarbid bringt das ganz neue Anwendungsmöglichkeiten mit sich“, erklärt der Würzburger Physiker.
Beispiel: Bornitrid gilt aktuell als das Standardmaterial zur Verkapselung von neuartigen 2D-Bauteilen wie zum Beispiel nanometergroßen Transistoren. „Wir haben mit unserer Arbeit den Nachweis erbracht, dass wir in dem oft verwendeten Material Bornitrid atomare Sensoren künstlich einbetten können. Das sollte es möglich machen, Einflüsse wie Temperatur, Druck und Magnetfeld auf verschiedene Bauteile direkt zu messen.“
Welche Forschungsschritte anstehen
Bisher haben die Forscher die Funktionsweise des Sensors an einem großen Ensemble aus einigen Millionen Spin-Defekten demonstriert. Als nächstes wollen sie zeigen, wie einzelne Spin-Defekte als Sensoren funktionieren. Gelingt das, wäre ein Einsatz im Nanometerbereich denkbar.
„Besonders interessant ist die Überlegung, Bornitrid-Schichten von nur einer Atomlage zu verwenden, sodass der Sensor direkt an der Oberfläche der zu untersuchenden Bauteile liegt“, sagt Professor Dyakonov. Das würde eine direkte Interaktion mit der unmittelbaren Umgebung ermöglichen.
Wo der Sensor zum Einsatz kommen könnte
Interessant könnten Anwendungen in der Materialforschung, Geräteentwicklung oder der Biologie sein, um auf diesen Gebieten neue Erkenntnisse zu gewinnen. Neben weiteren Einsatzmöglichkeiten in der Wissenschaft ist langfristig auch ein Einzug als kommerzieller Sensor denkbar – das könnte bildgebende Verfahren der Medizin revolutionieren, da der Sensor beispielsweise lokale Temperaturen als Bildkontraste abbilden könnte.
Kooperationen und Förderer
An der Publikation in Nature Communications sind – neben dem Team aus der JMU-Physik – Dr. Mehran Kianinia und Professor Igor Aharonovich von der University of Technology Sydney (Australien) sowie Professor Carlo Bradac von der Trent University (Kanada) maßgeblich beteiligt.
Finanziell gefördert wurden die Arbeiten vom Würzburg-Dresden Cluster of Excellence on Complexity and Topology in Quantum Matter ct.qmat, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, dem Australian Research Council und dem Asian Office of Aerospace Research and Development. Die JMU hat die Veröffentlichung aus ihrem Open-Access-Publikationsfonds unterstützt.