Prof. Dr. Pol Besenius, Chemiker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), erhält für die Entwicklung vollsynthetischer Impfstoffe eine Förderung des Europäischen Forschungsrats. Das Ziel von Besenius ist es unter anderem, das Problem der geringen Stabilität und kurzen Haltbarkeit bei den aktuell entwickelten Impfstoffen zu überwinden. Für das Design neuer Vakzine sollen daher Bausteine wie in einem Baukasten zur Verfügung gestellt werden, die sich selbst zusammenlagern und krankheitsspezifische neue Impfstoffe bilden. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) stellt für das Projekt „Supramolecular engineering of glycan-decorated peptides as synthetic vaccines“ (SUPRAVACC) in den kommenden fünf Jahren 2 Millionen Euro bereit. Der ERC Consolidator Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU.
Die wichtigste Funktion von Impfstoffen ist die Induktion eines immunologischen Gedächtnisses, das für einen langfristigen Schutz vor Krankheitserregern entscheidend ist. Die derzeitigen Strategien für wirksame antibakterielle und antivirale Impfstoffe basieren darauf, dass für den Erreger spezifische Erkennungsmotive auf ein Trägerprotein aufgebracht werden. Allerdings leiden diese Formulierungen unter geringer Stabilität und kurzer Haltbarkeit und sind daher in Entwicklungsländern nur begrenzt anwendbar. Strategien zur Entwicklung neuer Vakzine gegen endogene Krankheiten wie Krebs bleiben weiterhin eine ungelöste Herausforderung, da die derzeitigen Methoden keinen Zugang zu modularen oder maßgeschneiderten Vakzinen bieten.
„Ich schlage daher einen radikal neuen Design-Ansatz für die Entwicklung vollsynthetischer, supramolekularer Impfstoffe vor“, erklärt Pol Besenius. Ziel ist es, Kohlenhydrat- und Glykopeptid-Epitope zu synthetisieren und sie an supramolekulare Bausteine anzuknüpfen. Epitope sind Strukturen oder Molekülabschnitte, die eine spezifische Immunantwort auslösen können. Die supramolekularen Bausteine können individuell gestaltet werden, um krankheitsspezifische Antigene und Immunstimulatoren anzuheften.
Baukasten liefert supramolekulare Komponenten, die sich von selbst zu Vakzinen zusammensetzen
Supramolekulare Materialien beruhen auf der Selbstassemblierung molekularer Bausteine zu geordneten Polymerstrukturen. Weil sich die Komponenten von selbst zusammenlagern und nanoskalige Partikel ausbilden, dienen sie zur Entwicklung eines „Subeinheiten-Vakzin-Baukastens“. Die vorgeschlagene Strategie ermöglicht die Herstellung breit anwendbarer Vakzine, indem durch Co-Assemblierung von unterschiedlich funktionalisierten Komponenten speziell auf die Anwendung einstellbare Partikel erhalten werden. „Das heißt also, ich bestimme die Zusammensetzung der Mischung und die Bausteine fügen sich dann selbstständig zu maßgeschneiderten Nanostrukturen zusammen“, beschreibt Besenius den Vorgang. Der modulare Ansatz ermöglicht weiterhin einen Zugang zu Vakzinen, die frei von biologischer Kontamination sind und gelagert werden können.
Die immunologische Evaluierung der vollsynthetischen Impfstoffe wird das Team um Pol Besenius in Kooperation mit der Gruppe von Prof. Dr. Edgar Schmitt am Institut für Immunologie, Universitätsmedizin Mainz, durchführen. „Wir hoffen, dass wir mit SUPRAVACC bei der Entwicklung minimalistischer und breit anwendbarer Impfstoffe Pionierarbeit leisten können“, so Besenius. Dazu gehört auch, dass der supramolekulare Engineering-Ansatz im Hinblick auf eine Immunisierung gegen bakterielle Erkrankungen sowie als potenzieller Kandidat für Anti-Tumor-Vakzine evaluiert wird. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt werden sich auch, so die Erwartungen, auf die Entwicklung von Impfstoffen in Forschungs- und Industrielaboren auswirken.