Ob bei einer Krebs-Operation tatsächlich der gesamte Tumor entfernt worden ist, lässt sich mit derzeitigen Verfahren erst nach einem Eingriff mit Sicherheit feststellen. Ein interdisziplinäres Jenaer Forschungsteam hat nun ein neuartiges Faser-Endoskop vorgestellt, mit dem Tumorränder künftig bereits während der Operation direkt im Körperinneren sichtbar gemacht werden könnten. Die Sonde basiert auf einer eigens entwickelten multimodalen Faser und liefert Gewebebilder, die sowohl morphologische als auch biochemische Informationen enthalten.
Bis Patientinnen und Patienten Sicherheit darüber haben, ob eine Krebs-Operation erfolgreich war, können unter Umständen mehrere Tage vergehen. Erst die nachträgliche histopathologische Untersuchung einer entnommenen Biopsie gibt Gewissheit darüber, ob tatsächlich der gesamte Tumor entfernt worden ist. Das von dem Jenaer Forschungsteam entwickelte Faser-Endoskop hingegen eröffnet die Möglichkeit eine Diagnose in Echtzeit zu erreichen. Die Sonde kombiniert drei Bildgebungstechniken auf einmal und liefert räumlich hoch aufgelöste Gewebebilder aus dem Körperinneren. Sie enthalten sowohl morphologische als auch biochemische Informationen.
Diagnose in Echtzeit statt nach mehreren Tagen
„Das Endoskop bietet das Potenzial, schnell und zuverlässig zwischen gesundem und krankem Gewebe zu unterscheiden — und das in vivo, also in einer minimalinvasiven Untersuchung, bei der die Sonde direkt auf das verdächtige Gewebe aufsetzt“, erläutert Prof. Jürgen Popp, Leiter des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in Jena, unter dessen Leitung die neuartige Sonde erforscht wurde.
Flexible Sonde für minimalinvasive Untersuchungen
Dazu entwickelte das Fasertechnologie-Team am Leibniz-IPHT eine spezielle mikrostrukturierte optische Glasfaser. Im Zusammenspiel mit einem intelligenten und ultrakompakten optischen Konzept der FirmaGRINTECH führt sie zu einem vollständig faserbasierten endoskopischen Aufbau für die multimodale nichtlineare Endoskopie. Sie nimmt Gewebebilder auf, wie sie derzeit mit einem handelsüblichen, sperrigen Laser-Scanning-Mikroskops gemacht werden und ist dabei vergleichsweise kostengünstig herstellbar. „Perspektivisch könnte die neuartige multimodale Bildsonde damit neue Möglichkeiten für eine markierungsfreie Gewebediagnostik in Chirurgie und Endoskopie eröffnen — etwa, um Tumorränder bereits während der Operation eindeutig zu erkennen“, blickt Jürgen Popp voraus.
Genauere Erkennung von Tumor-Rändern
Dies würde nicht nur dazu beitragen, die Heilungschancen zu verbessern, sondern könnte darüber hinaus erhebliche Kosten im Gesundheitssystem einsparen, indem es teure und für die Patient*innen belastende Nachbehandlungen zu vermeiden hilft. Derzeit werden etwa bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich nach knapp jeder 10. Operation nachträglich Krebszellen aufgefunden.
Erfolgsgeschichte aus dem Optik-Standort Jena
Die technologische Realisierung der patentierten bildgebenden Fasersonde ist das Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit der Jenaer Forschenden mit dem Mikrooptik-SpezialistenGRINTECH. „Unser Know-How auf dem Gebiet endomikroskopischer Sonden, welches wir jetzt auch auf den Einsatz miniaturisierter Scanner mit entsprechender Ansteuerung und Bildverarbeitungssoftware ausgedehnthabensowie die Kompetenz des Leibniz-IPHT bei der Entwicklung mikrostrukturierter Glasfasern haben sich ideal ergänzt“, sagt Dr. Bernhard Messerschmidt von der Firma GRINTECH, die sich Ende 1999 als Spin-off des Jenaer Fraunhofer Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik gründete.
„Insofern ist diese gemeinsame Entwicklung auch eine Erfolgsgeschichte des Optik- und Photonik-Standorts Jena — sowohl in der engen Vernetzung von Wissenschaft und Industrie wie in unserer Zusammenarbeit in hocheffizienten interdisziplinären Teams hier.“
— Jürgen Popp
Preisgekröntes Verfahren für die schnelle Krebs-Diagnostik
Die gemeinsame Entwicklung der Endoskopiesonde für die biomedizinische Bildgebung wurde in den Jahren 2017 bis 2019 im Rahmen des Regionalen Wachstumskerns „Tailored Optical Fibers — TOF“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Das optische Schnellverfahren für die multimodale Gewebediagnostik mit KI-gestützter Auswertung basiert auf einer Methode, die ein Team des Leibniz-IPHT, der Friedrich-Schiller-Universität und des Universitätsklinikums Jena sowie des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) entwickelt hat. Für diesen optischen Ansatz für die schnelle Krebs-Diagnostik wurde das interdisziplinäre Jenaer Team 2018 mit dem renommierten Kaiser-Friedrich-Forschungspreis ausgezeichnet. Das zugrundeliegende Forschungsprojekt mit dem Titel „CDIS Jena — Cancer Diagnostik Imaging Solution Jena“ wurde gefördert von BMBF, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (TMWWDG).