Gibt oder gab es Leben auf dem Mars? Ist alles Leben auf dem blauen Planeten außerirdischen Ursprungs? Fragen, die die Menschheit schon lange Zeit bewegen. Ihre Beantwortung rückt Stück für Stück näher, da die Raumfahrt in den vergangenen Jahren mächtig Fahrt aufnahm. Unverzichtbar für die Missionen sind stets Mikroventile. Ihnen ist die Welt nicht genug…
Eine bewegte Geschichte haben die 28 Ventile der Raumsonde „Rosetta“ der europäischen Raumfahrtagentur ESA hinter sich. Innerhalb eines Jahrzehnts legten sie mehr als sechs Milliarden Kilometer zurück. Im August 2013 erreichte die Muttersonde Rosetta ihr eigentliches Ziel: den Kometen Tschurjumow-Gerassimenko. Seitdem umkreist die Sonde den fünf Mal drei Kilometer großen Kometenkern in einem Abstand von sechs bis 30 Kilometern und begleitet ihn in Richtung Sonne.
Erste Landung auf einem Kometen
Mit elf wissenschaftlichen Instrumenten ist die Sonde ausgestattet. Sie untersuchen unter anderem die chemische Zusammensetzung der Koma – und bestimmen die Häufigkeit der Edelgase Helium Neon, Argon, Krypton und Xenon. Aus den Anteilen der Gase sollen sich Informationen über die Umgebungstemperatur zum Zeitpunkt der Kometenentstehung ableiten lassen. Das Kometenkoma wird außerdem nach atomarem oder ionisiertem Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff untersucht. Ein Ergebnis gibt es bereits: Es wurde der Prozess offengelegt, der den rapiden Zerfall von Wasser- und Kohlenstoffdioxidmolekülen auslöst, die von der Kometenoberfläche entweichen.
Doch Rosetta ist nicht allein im Weltall: Sie nahm das Landegerät „Philae“ mit auf ihre Reise. Das Mini-Labor wurde im November 2014 auf dem Kometen abgesetzt – es war die erste Landung auf einem Kometen in der Geschichte der Menschheit. Allerdings setzte es an einem schattigen und kühlen Platz auf. Die Folge: Philae verfiel wegen Strommangels nach zweieinhalb Tagen in einen „Schlaf“. Über ein gutes halbes Jahr später erwachte das Landegerät aus seinem Winterschlaf und schickt mittlerweile Datenpakete zur Erde. Philae funkt wieder!
Kosmischer Kühlschrank
Und das ist gut so, denn Philae hat gemeinsam mit Rosetta noch eine wichtige Mission zu erfüllen: Die Ergebnisse könnten Hinweise darauf geben, wie das Leben auf der Erde entstanden ist. Oder anders ausgedrückt: Wie das Leben möglicherweise aus dem All auf den blauen Planeten gekommen ist.
Kometen gelten als „Leitfossilien“ in unserem Sonnensystem. „Sie sind zusammen mit der Sonne und den Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden, haben sich aber im Unterschied zu diesen seither fast nicht verändert“, erläutert Berndt Feuerbacher, Direktor des Instituts für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Kometen befänden sich in einer Art „kosmischem Kühlschrank“ am äußeren Rand unseres Sonnensystems – bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, so Feuerbacher weiter.
Kometeneinschläge
Was Einblicke von ungeheurer Tragweite in Aussicht stellt. Die Forschungsergebnisse könnten zeigen, ob das Leben aus dem All auf die Erde gekommen ist. Denn Astronomen vermuten, dass Kometen komplexe organische Kohlenstoffverbindungen enthalten – sie sind die Grundbausteine des Lebens. Sie könnten durch Kometeneinschläge auf die Erde gebracht worden sein.
Philae ist mit Kameras ausgestattet, die die Umgebung dokumentieren. „Mit einem Bohrer werden Materialproben unter der Oberfläche gewonnen und in Massenspektrometern oder Gaschromatographen analysiert, um das ursprüngliche Material unseres Sonnensystems zu charakterisieren“, berichtet Feuerbacher vom DLR. Das Innere des Kometenkerns werde mit einem Penetrator, mit Ultraschall und Mikrowellen-Tomographie untersucht.
28 Siliziumventile
Ein genauerer Blick auf das Landegerät Philae lohnt sich auch deshalb: Es ist bepackt mit 28 Ventilen, die für extreme Bedingungen von Hoerbiger entwickelt wurden. „Jedes wiegt weniger als zwei Gramm und ist für einen Temperaturbereich von ‑60 bis +220 Grad Celsius ausgelegt“, erläutert Dr. Jochen Schaible, federführender Projektmanager. Es handelt sich um 2/2‑Wege Siliziumventile, die monostabil und stromlos offen sind. Ihre Abmessungen liegen bei 10 mal 16 mal 5,4 Millimeter. Die Ventile, die sich in einem cappuccinofarbenen Gehäuse aus Kunststoff befinden, haben ein Totvolumen von weniger als 50 Mikroliter und eine Schaltzeit von 1 Millisekunde. „Die Ventile müssen darüber hinaus äußerst leicht und kompakt sein, dürfen kaum Energie verbrauchen und müssen möglichst leckagearm arbeiten“, ergänzt Dr. Fred Goesmann vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS).
Den Ventilen kommt eine immens wichtige Aufgabe zu: Sie regeln die Gasströmung im Analyseprozess bzw. fungieren als Steuerventil für den Gaschromatographen. Das gasförmige Stoffgemisch wird mit einem Injektor zunächst in einen Strom von Trägergas eingebracht, das durch ein System von dünnen Edelstahl- und Quarzglasröhren, die Kapillaren, strömt. „Innen sind die Kapillaren mit einem speziellen Material beschichtet, das mit den vorbei fliegenden Molekülen in unterschiedlicher Weise reagiert und diese dabei bremst“, so Hoerbiger. Dies führe zu charakteristischen Durchgangszeiten für jeden Molekültyp. Am Ende der Kapillaren ist eine Detektoreinheit angebracht, die Informationen über die Beschaffenheit der gefundenen Moleküle liefert. Die weitere Analyse übernimmt ein an das System angeschlossener Massenspektrograph.
Rosetta-Mission verlängert
Ohne Partnerschaften geht es bei der komplexen und anspruchsvollen Raumfahrt nicht: Als Industriepartner des Instituts für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft e.V. (HSG-IMIT) habe Hoerbiger schon früher als andere Forschungs- und Entwicklungsprojekte auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik angestoßen, sagt Projektmanager Schaible. Basierend auf den Arbeiten des HSG-IMI habe man 2002 ein Siliziumventil zur Serienreife gebracht. Schaible: „Und dieser Typ entsprach den Anforderungen des MPS.“
Es gibt also noch einiges für Rosetta und Philae zu tun. Wie gut, dass die Mission um neun Monate bis September 2016 verlängert wurde. Am Ende wird es – so hofft die europäische Raumfahrtagentur ESA – ein grandioses Finale geben: Rosetta selbst soll auf dem Kometen landen und damit seinem Landegerät Philae folgen. Nach zwölf Jahren endet die denkwürdige Mission hiermit. Und vielleicht auch mit Antworten über den Ursprung des Lebens auf der Erde und zur Frühzeit des Sonnensystems.
ExoMas-Mission mit Ventilen
Die nächste große Mission befindet sich bereits in den Startlöchern: Bei „ExoMas“ soll nach früherem oder gegenwärtigem Leben gesucht werden. Dazu soll die biologische Umwelt des Marsbodens studiert werden.
Der erste Teil der Mission startet im Januar 2016 mit einem Satelliten, der nach neun Monaten und rund 225 Millionen Kilometern den Mars erreicht. Dabei wird ein kleines Landegerät genutzt, um Technologien für das Aufsetzen zu erproben, während der Orbiter den Mars umkreist und dessen Atmosphäre analysiert. Bei dem zweiten Teil der Mission zwei Jahre später werden zwei Rover unabhängig voneinander auf dem Mars Untersuchungen vornehmen. Und natürlich werden auch für diesen Einsatz Ventile benötigt – abermals von dem Armaturenhersteller Hoerbiger.
Extreme Bedingungen
Trotz der zahlreichen Fortschritte bei der Raumfahrt-Technologie gibt es noch zahlreiche unbekannte Größen. Tests, um die Belastbarkeit von Komponenten für Raketen, Satelliten und Sonden zu überprüfen, gehören zur Tagesordnung. Beispiel Raketensysteme: Ein immens wichtiger Aspekt für gelungene Missionen ist das Verhalten von Treibstoffen unter extremen Bedingungen. Neue Wege im Umgang mit Treibstoffen für Europas zukünftige Trägersysteme wollen die europäische ESA und die deutsche DLR gehen – zum Beispiel bei der Texus 48-Trägerrakete. Bei der vollständigen Simulation eines vollumfänglichen Raumflugs wurden während der sechsminütigen Schwerelosigkeit zwei neue Bauteile, sogenannte Propellant Management Devices, für den Einsatz in Wasserstoff- und Sauerstofftanks getestet.
Die von Astrium entwickelten zwei Experiment-Module des Texus 48-Versuchsträgers waren mit je drei axial durchströmten Ventilen der Serie Axius von Stöhr Armaturen ausgerüstet. Bei dem Test sollte das Verhalten der flüssigen Treibstoffe Wasserstoff und Sauerstoff in Schwerelosigkeit und die Armaturenauslegung für erneute Zündungen untersucht werden. Es wurde mit dem Einsatz der Stöhr-Ventile erfolgreich getestet. Die Axius-Ventile können bei Betriebstemperaturen zwischen 4K und 323K eingesetzt werden, der Nenndruck ist bis 420 bar ausgelegt, bei einem Steuerdruck von 6 bis 8 bar, optional bis 40 bar, und die Nennweiten reichen von DN4 bis DN40.
Günstige Perspektiven
Doch wer bei Raumfahrt-Missionen nur an die großen Fragen zur Menschheit und zum Sonnensystem denkt, unterschätzt das immens große wirtschaftliche Potenzial der Branche, bei der Frankreich in Europa federführend ist. Deutschland ist die zweitgrößte europäische Raumfahrtnation, und zwar eine mit großen Ambitionen. In der Hightech-Strategie 2020 hat die deutsche Bundesregierung der Raumfahrt einen besonderen Stellenwert eingeräumt: Raumfahrt ist hier eine Schlüsseltechnologie. „Denn Raumfahrttechnologien sind wichtige Instrumente der modernen Informations- und Industriegesellschaft“, erklärt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). So seien etwa Kommunikation und Fernsehberichterstattung oder präzise Klima- und Wetteranalysen abhängig von Raumfahrttechnologien.
Entsprechend groß ist das wirtschaftliche Potenzial der Raumfahrt. So lag der Umsatz für die deutsche Industrie im vorletzten Jahr bei 2,4 Milliarden Euro. „Die Branchenperspektiven für Wachstum und Beschäftigung sind vor allem mittel- und langfristig weiterhin günstig“, unterstreicht das BMWi. Anders als im Luftfahrtbereich, in dem der kommerzielle Markt stark ausgeprägt sei, werde die internationale Raumfahrt weitgehend bestimmt durch die staatlichen Raumfahrtstrategien und die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.
Steigender Wettbewerbsdruck
Beispiel Deutschland: Die Aufwendungen für die Raumfahrt wurden in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert, und es wurde konsequent in die Bereiche investiert, in denen die Raumfahrt als Werkzeug zum Erreichen wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, strategischer und gesellschaftlicher Ziele beiträgt. Zu einem der Investitionsschwerpunkte zählt für die deutsche Bundesregierung beispielsweise die Automation.
Unabhängig von zum Teil öffentlicher Förderung der Raumfahrt entwickelt sie sich zu einem Markt mit steigendem Wettbewerbsdruck. Zeit- und Kostenrahmen werden bei dem sich zunehmend schneller entwickelnden Markt wichtiger. Die Simulation vor und während der Herstellung scheint daher unverzichtbar. Hohe Erwartungen sind für die Branche schon lange selbstverständlich, denn es steht viel auf dem Spiel: Missglückt beispielsweise eine Weltraummission, ist der Verlust immens.
Entwicklungsintensive Branche
Die Prognosen für die positive Entwicklung der Raumfahrt sind günstig. Eine Entwicklung, von dem auch die Armaturen- und Ventilhersteller profitieren. Ohne deutliche Investitionen in die eigene Forschung wird der erfolgreiche Eintritt in die Raumfahrtbranche allerdings nicht gelingen. Die geforderten Hightech-Ventile sind entwicklungsintensiv, und nicht selten muss auch Neuland betreten werden. Nicht nur im All, sondern auch in den eigenen Fertigungshallen…
Zu sehen sind neueste Entwicklungen aus dem Bereich der Hightech-Ventile auf der Valve World Expo, die vom 29. November bis 1. Dezember 2016 auf dem Düsseldorfer Messegelände stattfindet.