Die Digitalisierung ist längst keine Zukunftsmusik mehr und hat bereits die Pharmaindustrie grundlegend verändert. Das Gefüge im Gesundheitsmarkt hat sich verschoben, die Beziehung zwischen Pharmaunternehmen, Healthcare-Professional und Patient ist im Wandel. Während die Zahl der Ärzte besonders in ländlichen Regionen zurückgeht, erschwert steigender Verwaltungsaufwand die Kommunikation zwischen Pharma und Mediziner zusätzlich. Mehr als 50 Prozent der Ärzte haben bereits Besuchsbeschränkungen für Pharmavertreter eingeführt oder empfangen gar keine Außendienstmitarbeiter mehr — Tendenz steigend. Reichte früher noch ein einziger Vertriebskanal, braucht es im heutigen dynamischen Geschäftsumfeld ein vielschichtiges Konzept mit untereinander verknüpften Kanälen. Wie aber sahen die einzelnen Entwicklungsstufen vom Single- zum Omni-Channel aus? Was für Faktoren spielten dabei eine ausschlaggebende Rolle? Welche Chancen birgt der zukünftige Vertriebsansatz? Eine Reise durch die Zeit.
Single-Channel: Der Außendienst im Alleingang unterwegs
Das “Verkaufen wollen” ist Mitte der 80er Jahre in den Pharmaaußendienst eingeführt worden und hat in dieser Zeit auch gut funktioniert. Es gab Hinweise, dass mehr Besuche zu mehr Umsatz führten. Lange galten Außendienstvertreter als der einzige Sales-Kanal in der Branche, über den Fachwissen vermittelt und mit HCPs interagiert werden konnte. Als stark personalisierter Touchpoint führten sie das nicht-digitale Kanalportfolio an. Früher war der Pharmareferent noch gern gesehener Berater in Fragen rund um mögliche Therapien und der Arzt nahm sich dementsprechend genügend Zeit dafür. Im Gespräch wurden Probleme erörtert, neue Produkte konnten nachhaltig präsentiert werden. Die Strategie hieß: Eine Zielgruppe, ein Kanal, eine Message — alles analog. Im Schnitt standen pro Tag acht bis zwölf Besuche bei Ärzten und Kliniken auf der Liste — und diese fanden in der Regel während der regulären Öffnungszeiten statt. Der Mediziner wollte informiert werden und der Pharmareferent wusste über den Markt Bescheid. Dazu gehörten auch Kenntnisse über aktuelle Studien zu neuen Präparaten sowie zu gesundheitspolitischen Themen. Zu vielen Ärzten entwickelte sich im Laufe der Zeit ein Vertrauensverhältnis, welches in der Pharmabranche eine entscheidende Rolle spielt. Doch mit der Digitalisierung wuchs die Selbstbestimmung der Ärzte und Patienten, die Kassen bauten ihren Einfluss weiter aus und die Budgets der Ärzte wurden stetig kleiner. Immer mehr Pharmavertreter standen vor verschlossenen Türen, so dass das herkömmliche Vertriebsmodell mit dem reinen Fokus auf den Außendienst überdacht werden musste. Er konnte nicht länger die einzige Informationsquelle für Ärzte und Kliniken bleiben.
Multi- und Cross-Channel: Vom Neben- zum Miteinander
Die Zeiten, in denen der Außendienst unangekündigt in der Praxis auftaucht, waren plötzlich vorbei. Die Mediziner waren immer schlechter zu erreichen, so dass sich ein großes Außendienst-Team schlichtweg kaum mehr rentierte. Das persönliche Gespräch hatte signifikant an Bedeutung verloren, viele HCPs kommunizierten längst auf zahllosen Kanälen und in den sozialen Medien. Ganz selbstverständlich wurden immer mehr Chats genutzt und durch gestreamte Videos oder in Webinaren Informationen eingeholt. Eine Neustrukturierung des Pharmamarketings musste her. So sollte der neue strategische Ansatz die potenziellen Kunden auf mehreren Kommunikations- und Vertriebswegen erreichen. Unternehmen aus der Healthcare-Branche fingen an, ihren Außendienst zu verkleinern und waren gezwungen, seine Rolle neu zu definieren. Der neue Ansatz von Multi-Channel-Exzellenz, der die klassischen Methoden der Außendienstwerbung um den Einsatz digitaler Medien erweitert, erlaubte es, die jeweiligen Zielgruppen in deutlich effizienterer und kundenorientierter Weise anzusprechen. Die HCPs wurden von nun an über mehrere Kanäle kontaktiert wie beispielsweise per Post, über digitale Medien oder durch ein persönliches Gespräch. Diese Kanäle waren jedoch nicht aufeinander abgestimmt, sondern existierten nebeneinander. Doch im Zuge der Digitalisierung standen die Ärzte einer regelrechten Informationsflut gegenüber und nutzten die digitalen Informationsmöglichkeiten immer häufiger und umfangreicher. Die naheliegende Frage lautete: Wie kann die Pharmabranche ihren Vertrieb noch zielgruppenzentrierter aufstellen, um auch weiterhin bei Healthcare-Professionals anzukommen? Die Folge: Die Kommunikation der Pharmaindustrie erweiterte ihre Multi-Channel-Aktivitäten um eine Cross-Channel-Strategie.
Die weiter voranschreitende digitale Transformation, stark heterogene Zielgruppen und eine konstant wachsende Zahl an Kommunikationskanälen bewirkten ein weiteres Umdenken bei den Marketingverantwortlichen. So wurde ein erfolgreicher Vertrieb schon lange nicht mehr an der Häufigkeit der Besuche gemessen, sondern an der Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Zielgruppen. Schnell realisierten die Verantwortlichen, dass nur diejenigen, die ihren Außendienst in eine kanalübergreifende Vertriebsstrategie eingliedern und Kundenpräferenzen zielgerichtet bedienen, auch zukünftig Gehör bei den Healthcare-Professionals finden würden. Der entscheidende Unterschied zu Multi-Channel bestand darin, dass der Kunde nun das gleiche Angebot über alle Channel erfuhr. Dies gilt insbesondere für die Verbindung der Offline-Kanäle, wie Print, Events, persönliche Beratung, mit den Online-Quellen, wie zum Beispiel Webseiten oder Newsletter. Wollte der Kunde im Rahmen seines Informations- beziehungsweise Kaufprozesses in einen anderen Kanal wechseln, wurde ihm durch Cross-Channel ohne Informationsverlust die Möglichkeit gegeben. Konkret heißt das, die Ärzte konnten sich beispielsweise online informieren und anschließend in einem Außendienst-Termin weitere Schritte einleiten. Ihre Kundendaten gingen dabei auf dem Weg von Online zu Offline nicht verloren, sondern lagen dem Vertrieb dank einer umfassenden Datenbank weiterhin vor.
Omni-Channel: Aufeinander abgestimmte Kanäle mit personalisierten Botschaften
Heute wollen Ärzte, MFAs und Apotheker selbst bestimmen, wo, wie und wann sie relevante Informationen erhalten. Dabei bieten sich digitale, aber dennoch persönliche Kanäle im stressigen Alltag an. Die Folge: Um bei der Zielgruppe relevant zu bleiben, müssen Pharmakonzerne ein digitales, persönliches Vertriebserlebnis schaffen — und das genauso, wie die individuellen Adressaten es sich wünschen. Immer und überall. Die jahrelange Verkaufs- und Außendiensterfahrung des Teams bleibt auch weiterhin unbezahlbar, denn ein Pharmavertrieb ganz ohne persönlichen Kontakt ist undenkbar. Nicht umsonst besteht die Informationspflicht zwischen den Parteien. Hier gilt aber: Alle Maßnahmen müssen clever, relevant und auf allen Kanälen miteinander verknüpft werden, um ein optimales Kundenerlebnis zu schaffen und echte Beziehungen aufzubauen. Außen- und Innendienst arbeiten hierbei Hand in Hand.
Beim Omni-Channel-Management erhält jeder Kunde, passend zu seinen Bedürfnissen und Präferenzen, personalisierte, aufeinander abgestimmte Messages über eine breite Auswahl an möglichen Touchpoints. Denn HCPs bringen Unternehmen mehr Vertrauen entgegen, wenn die Kommunikation an ihren Vorlieben ausgerichtet ist. Der Omni-Channel-Ansatz verbessert so nicht nur die angespannte Kommunikation zwischen Healthcare-Professionals und Pharma. Die personalisierte Ansprache über unterschiedliche Kanäle schlägt sich auch beim ROI, der Response-Rate und letztendlich den Verschreibungsraten deutlich nieder. Damit das Omni-Channel-Orchester dabei harmonisch erklingt und nicht alle Kanäle einfach willkürlich bespielt werden, gilt es vor allem, die individuelle Customer Journey jedes einzelnen Kontakts zu beachten. Wo steht er gerade? Ist das Produkt völlig neu für ihn oder hat er bereits erste Erfahrungen gemacht? Je nach Lifecycle-Stage der Zielgruppe, bieten sich unterschiedliche Maßnahmen an, um Healthcare-Professionals auf ihrer individuellen Customer Journey zu begleiten.
Fazit: Die Chancen der Digitalisierung nutzen
Das Wichtigste beim Erfolg einer Omni-Channel-Kampagne ist eine gute Strategie und erfahrene Omni-Channel-Experten. Die Fokussierung auf individuelle Kommunikationsbedürfnisse wird durch die digitale Transformation ermöglicht und über eine Kommunikations-Datenbank zentral gesteuert. Denn: Standen dem klassischen Außendienst bisher lediglich allgemeine Informationen zu seinen Kontakten wie Name, Alter, Adresse und Fachgebiet zur Verfügung, werden durch die genaue Analyse der Customer Journey sämtliche inhaltliche sowie Themen- und Kanalpräferenzen sichtbar — die dann in eine wirklich personalisierte Ansprache fließen können. Healthcare-Professionals profitieren von einer für sie “maßgeschneiderten” Kommunikation, die sie genau mit den Infos versorgt, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen — und das genau auf dem Kanal und zu dem Zeitpunkt, den sie mit ihrem stressigen Arbeitsalltag vereinen können. Denn ohne Alternativen zur sturen Push-Strategie durch den Außendienst bleiben den Pharmakonzernen die Türen verschlossen. Die Unternehmen müssen die Zeichen der Zeit erkennen, ihre Strategien anpassen und sich dabei auf die neuen Möglichkeiten einlassen, um das Maximum aus der digitalen Transformation herauszuholen. Auf Basis dieser kontinuierlichen Veränderung, führt die Digitalisierung zu einer noch besseren Versorgung von Patienten und wird das empfindliche Gefüge zwischen allen Beteiligten des Gesundheitssystems langfristig enorm stärken.
Autor: Good Healthcare Group