Auch wenn sie leichtfüßig daherkommen, sind sie eigentlich Schwergewichte, weil sie eine zunehmend wichtige Rolle im Anlagenbau einnehmen. Armaturen aus Kunststoff gehören mittlerweile ganz selbstverständlich zur Armaturenfamilie. Und das aus gutem Grund: Sie sind leicht und benötigen wenig Platz. Die Zukunft der Kunststoffarmatur – sie ist verheißungsvoll.
Es müssen nicht immer Armaturen aus beispielsweise Grauguss und Edelstahl sein. Kunststoffarmaturen werden bereits in vielen Bereichen beim Fördern von Fluiden durch Rohrleitungen angewendet, wobei sie auch den Kontakt zu unbequemen Umgebungen nicht scheuen müssen. „Besonders in den Bereichen der aggressiven Medien hat der Einsatz von Kunststoffarmaturen viele Vorteile“, betont beispielsweise Uwe Schmezer, Leiter Produkt- und Anwendungsmanagement Geschäftsbereich Industrie bei Gemü. Ein wichtiger Vorteil ist das werkstoffbedingte geringe Gewicht.
Medienberührende Teile aus Kunststoff
Häufig zum Einsatz in Anlagen kommen Membranventile. Geschätzt wird an ihnen, dass sie Volumenströme sehr genau regulieren und gleichzeitig günstig zu automatisieren sind. Und sie sind für neutrale und aggressive Medien in flüssigem oder gasförmigem Zustand geeignet. Daher sind sie attraktiv für Hersteller von Kunststoffarmaturen. „Bei diesen Ventilen bestehen alle medienberührenden Teile aus hochwertigen Kunststoffen und verfügen hiermit über eine hohe chemische Beständigkeit“, berichtet Schmezer über die Gemü-Armaturen. Die Membranen des Unternehmens bestehen unter anderem aus einem chemisch modifizierten PTFE der zweiten Generation. Die chemische Beständigkeit ist sehr hoch, laut dem Unternehmen verschleißt der Werkstoff PTFE auch bei Dampfbeaufschlagung wesentlich langsamer als ein Weichelastomer.
Auch für extreme Bedingungen geeignet
Kunststoff und Kugelhähne – auch das kann passen. Hier bestehen ebenfalls die medienberührenden Teile sowie das Antriebsgehäuse aus Kunststoff. Damit sind sie für saubere Medien geeignet, die aggressiv oder neutral, flüssig oder gasförmig sein können, aber die physikalischen und chemischen Eigenschaften des jeweiligen Gehäuse- und Dichtwerkstoffs nicht negativ beeinflussen. Die maximal zulässige Betriebstemperatur beträgt etwa bei einem Kugelhahn von Gemü 120 Grad Celsius, in Abhängigkeit von Betriebsdruck und Körperwerkstoff. Kunststoffarmaturen sind also durchaus ein Fall für extreme Bedingungen, wie etwa in der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Aber auch Wasseraufbereitung und ‑versorgung, Automobilindustrie, Umwelttechnik und Galvanik.
Wasser- und Chemiebranchen als attraktive Absatzmärkte
Dramatisch ist die Situation bei der Wasserversorgung der Weltbevölkerung. 1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Besorgniserregend ist außerdem, dass nicht genügend Sanitärinstallationen mit ausreichender Qualität zur Verfügung stehen, 2,6 Milliarden Menschen haben sie nicht. Und seit 1950 verdreifachte sich der weltweite Wasserverbrauch. Das Marktvolumen an Bauleistungen, Maschinen, Anlagen und Dienstleistungen im Wasser- und Abwassersektor soll sich weltweit auf 460 bis 480 Milliarden US-Dollar belaufen. Ein Teil der Investitionen wird auch in Armaturen fließen.
Zudem stiegen im vergangenen Jahr nahezu in allen Ländern der EU die Investitionen in der Chemieindustrie. Aufwendungen, die sich für die Branche lohnen. Beispiel Deutschland: Der deutsche Verband der chemischen Industrie (VCI) geht davon aus, dass die deutschen Chemieunternehmen in den nächsten 15 Jahren von einer steigenden Nachfrage nach Chemikalien ausgehen können. Vor allem Asien und Lateinamerika kurbeln den Bedarf an. Laut der Studie „Die deutsche chemische Industrie 2030“ des Forschungsinstitutes Prognos in Zusammenarbeit mit dem VCI könnten die Chemieprodukt-Exporte bis 2030 um insgesamt 40 Prozent zulegen.
Anwendung bestimmt Auswahl der Kunststoffarmatur
Gute Aussichten auch bei der Pharmaindustrie. Sie befindet sich laut „Pharmafakten“, einer Initiative von Arzneimittelherstellern in Deutschland, weltweit in einem konstanten Wachstum. „Seit 1992 hat sich der Umsatz mit Arzneimitteln global mehr als vervierfacht. Die Hauptursache sind immer neue Innovationen, die die Therapie zuvor nicht behandelbarer Krankheiten ermöglichen oder verbessern.“ Ebenfalls gute Nachrichten für die Armaturenbranche.
Für die Pharma- und Feinchemiebranche hat beispielsweise SchuF spezielle Lösungen kreiert. Die von dem Unternehmen hergestellten Kunststoffarmaturen sind zwar aus Metall gefertigt, aber im Innern mit PTFE oder PFA ausgekleidet. Häufig handelt es sich um Bodenablassventile. „Die Ventile müssen hierbei gleichzeitig höhere Drücke aushalten – deshalb die Notwendigkeit eines Metallgehäuses – und innen leicht zu reinigen sein, wozu sich auch die Kunststoffauskleidung eignet“, erläutert SchuF-Vertriebsdirektor David Donne. Womit natürlich die Fertigung von PTFE oder PFA-ausgekleideter Ventile aufwendiger ist als bei Standard-Ventilen aus Metall. „Die Auskleidung der Ventile ist ein zusätzlicher Fertigungsschritt bei der Herstellung der Ventilgehäuse“, so David Donne.
Auch wenn die Pharma- und Feinchemiebranche traditionell eher emailverkleidete Ventile nutzt, da die Reaktoren innen auch emailliert sind, „haben wir in den vergangenen Jahren einen leichten Anstieg der Nachfrage nach Kunststoffauskleidung verzeichnet.“ Als Trend erweise sich die Nachfrage nach Zusatzfunktionen, „wie zum Beispiel die Integration von Prozessanalytischer Technologie (PAT), die sowohl in kunststoff- als auch emailverkleidete Ventile eingebaut werden können“, berichtet der SchuF-Vertriebsdirektor.
Akzeptanz als Werkstoff erhöht sich zunehmend
Zu den häufig angewendeten Kunststoffen für Armaturen gehören unter anderem PVC (Polyvinylchlorid), PP (Polypropylen) und PVDF (Polyvinylidenfluorid). PVC, eine der ältesten und am häufigsten eingesetzten Kunststoffe, zeigt sich resistent gegenüber Chemikalien und reagiert nicht auf Feuchtigkeit. Allerdings ist seine thermische Beständigkeit nur mäßig und seine Schlagfestigkeit gering. Dagegen ist die thermische Beständigkeit von PP gut, das gilt auch für seine chemischen und mechanischen Merkmale.
Die vorteilhaften Eigenschaften haben die Akzeptanz von Kunststoffen als Werkstoffe für Armaturen im Laufe der Jahre immer weiter erhöht. Womit sich ein weit verbreitetes Vorurteil, dass dieses Material keine allgemeine Verwendung etwa bei Kugelhähnen und Membranventilen findet, zunehmend als falsch erweist. Tatsächlich sind Kunststoffarmaturen in vielen Branchen im Einsatz.
Mehrwege-Ventilblöcke aus Kunststoff als Trend
Weil sich Kunststoffarmaturen also auch kritischen Medien und Umgebungen, „Atmosphères Explosibles“, stellen müssen, ist bei ihrer Herstellung in besonderem Maße auf die ATEX-Richtlinie zu achten, die die verschiedenen Anforderungen in der EU angleicht. Seit April 2016 gilt eine neue ATEX-Richtlinie: die 2014/34/EU. Seit dem 20.04.2016 dürfen nur noch Produkte unter der neuen RL mit EU-Konformitätserklärung vertrieben werden.
Aus den vielfältigen Möglichkeiten der Kunststoffarmaturen entwickeln sich Trends. Einer lautet, dass zunehmend Mehrwege-Ventilblöcken aus Kunststoff verwendet werden. Sie sind leicht, haben einen geringeren Platzbedarf, sind schnell montiert und multifunktional. „Diese Anforderungen spielen bei Anlagenkomponenten eine immer größere Rolle“, erläutert Schmezer. Komplexe Funktionalitäten in der Steuerung von Flüssigkeiten „erfolgen heute in der Regel über viele einzelne Ventile.“ Diese sind über ebenso viele Fittings und Rohre miteinander verbunden. Dies erfordert allerdings viel Platz und die Montage ist wegen einer deutlich höheren Anzahl von Einzelteilen aufwändig. „Gleichzeitig ist jede Montagestelle und Rohrverbindung eine potenzielle Leckagestelle, die das Sicherheitsrisiko erhöht. Kompakte Mehrwegeventilblöcke aus Kunststoff bieten sich hier als ideale Komponenten an.“