Im Fokus des nun veröffentlichten Whitepapers »Der Digitale Zwilling in der Batteriezellfertigung« stehen der Einsatz und die Potenziale, die digitale Zwillinge in verschiedenen Bereichen der Batteriezellfertigung entfalten können. Zusammen mit acht weiteren Forschungsinstitutionen aus dem »FoFeBat«-Projekt wurde das Konzept Digitaler Zwillinge für die Batteriezellfertigung entwickelt. Dieses unterscheidet zwischen dem digitalen Anlagenzwilling, dem digitalen Produktzwilling und dem digitalen Gebäudezwilling. Das aktuelle Whitepaper beschreibt die praktische Umsetzung des Konzepts an der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB.
Digitale Zwillinge stellen Repräsentationen physischer Objekte dar, die über den jeweiligen Lebenszyklus im Produktionsprozess mit Daten, Informationen und Modellen angereichert werden. Als digitalisiertes Abbild lassen sie sich durch Sensordaten stetig aktualisieren, verbessern und ausbauen. Die ersten Digitalen Zwillinge wurden bereits in den 1970er Jahren von der NASA entwickelt, um Probleme und Lösungen für Raumfahrzeuge zu erkennen. Denn die Einbindung von Daten in die virtuelle Repräsentation eines physischen Gegenstands ermöglicht die Simulation und Visualisierung von Produktionsprozessen von Anfang bis Ende. Dadurch können Unternehmen Prozesse live überwachen, analysieren und somit Probleme schneller erkennen und Prozessoptimierungen vornehmen. Ausgerichtet an den verfolgten Zielen, können die digitalen Abbilder individuell nach ihrem Anwendungsgebiet gestaltet werden. Je nach Bedarf wird die Datenanalyse zum Beispiel zur Beschreibung, Diagnose, Zurückverfolgbarkeit, Vorhersage oder Empfehlung eingesetzt.
Im Whitepaper werden die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs im wissenschaftlichen Diskurs erläutert. Es wird eine einheitliches allgemeingültigeres Begriffsverständnis für den Digitalen Zwilling der Batteriezellfertigung angestrebt.
Hier hält die Digitalisierung große Vorteile bereit. Ein Blick auf den Batteriemarkt verdeutlicht, dass die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batteriezellen in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Ein Grund dafür ist der Wandel der Mobilitätsbranche und der damit wachsende Ausbau der Elektromobilität, wie im Umfeldbericht zum europäischen Innovationssystem Batterie 2022 deutlich wird. Dementsprechend werden Batteriefabriken in Europa errichtet, die sich den hohen Anforderungen an Qualität, Nachhaltigkeit und Prozessstabilität stellen müssen. Diese werden durch politische Verordnungen, wie beispielsweise den »Battery Passport« standardisiert, um die Verantwortlichkeiten in der Lieferkette umfassend beschreiben zu können. Ein Digitaler Zwilling kann an dieser Stelle zur Erreichung einer höheren Qualität beitragen, da er Schwachstellen der Produktion offenlegt, die Prozessoptimierung beschleunigt und Lösungen, wie den »Battery Passport« erst ermöglicht. Bisher existiert jedoch kein Digitaler Zwilling einer vollständigen Batteriezellproduktion, der sowohl das Fabrikgebäude, die Produktionsmaschinen als auch das Produkt umfasst.
Ein Zwilling pro physische Instanz: Produktzwilling, Anlagenzwilling Gebäudezwilling
Trotz aller Vorteile stellt sich die Implementierung Digitaler Zwillinge in der Fertigung von Batteriezellen als keine einfache Aufgabe heraus, da es eine große Anzahl physischer Objekte gibt, die miteinander in Verbindung gebracht werden müssen. Antworten auf diese Herausforderung gibt das im Whitepaper vorgestellte Konzept. Es unterscheidet zwischen drei Typen von Digitalen Zwillingen: Anlagenzwilling, Produktzwilling und Gebäudezwilling. Der Digitale Zwilling der Batteriezellfertigung führt diese ganzheitlich zusammen und sein dreigeteilter, modularer Aufbau ermöglicht eine einfachere Handhabbarkeit und den Austausch von Daten und Informationen auf technischer Ebene. Doch welche Funktion erfüllen die Zwillingsmodule im Einzelnen?
Der Anlagenzwilling digitalisiert alle Prozesse der Produktionsanlagen in der Fabrik. Dadurch kann der Zustand von Maschinen überwacht und darauf basierend Entscheidungen getroffen werden, wodurch sich ihr Verschleiß reduziert und Wartungszeiten verkürzt werden. Die Effizienz der Anlage wird erhöht, da die Daten zusammenhängend betrachtet werden können. Dies führt zu einer ökonomischeren und ökologischeren Produktion.
Im Gegensatz zum Anlagenzwilling sammelt der Produktzwilling alle Daten und Merkmale von Rohstoffen sowie Zwischen- und Endprodukten, die Parameter der Verarbeitungsprozesse mitinbegriffen. Somit wird eine digitale Darstellung der Produktkonfiguration generiert, die mit Daten über externe Umweltfaktoren und relevanten Prozessdaten angereichert und verknüpft werden kann.
Der digitale Gebäudezwilling erhöht durch den Einsatz von Building Information Modelling (BIM) und die digitale Abbildung des Gebäudes in allen Bau- und Betriebsphasen eingesetzt die Effizienz der Planung von Fabrikgebäuden. Die Effizienzsteigerung reduziert folglich die Kosten und die CO2-Emissionen. Zudem trägt es zu einer transparenten Kommunikation zwischen den am Bauprojekt beteiligten Partnern bei.
Die verschiedenen Zwillinge erlauben übergreifende Erkenntnisgewinne und Optimierungen durch ihr Zusammenspiel. So können Einflüsse von Anlagenparametern auf die Batteriezelleigenschaften genau beschrieben und genutzt werden, während die Eigenschaften im Betrieb des Gebäudes auf die Parameter und Prozessqualität der Anlagen dargestellt werden können. Durch diese übergreifende Betrachtung wird die Batteriezellproduktion sowohl in der Tiefe als auch übergreifend digital abgebildet.
Die Vernetzung der einzelnen Ausprägungsformen des digitalen Zwillings der Batteriezellfertigung machen den Energiebedarf und die Produktqualität in Zahlen greifbar, sodass schneller Innovationspotenziale erkannt werden können. Die Konzeptionierung der einzelnen digitalen Zwillinge für die »FFB PreFab« und »FFB Fab« der Fraunhofer FFB wird die grundlegenden Voraussetzungen für eine ökologische und ökonomische Fabrik schaffen.