Hohe und volatile Preise für Erdgas sowie der Übergang zu erneuerbaren Quellen: von diesen zwei großen Trends wird der Energie- und Gasmarkt dominiert. Die dringendsten Bedarfe konnten beispielsweise durch LNG-Importe zum Teil gedeckt werden. Im Markt stößt jedoch eine Alternative auf hohes Interesse: Ammoniak als Träger für grüne Energie und Wasserstoff.
Lucretia Löscher, COO thyssenkrupp Uhde: „Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche Studien durchgeführt, um die ökonomische Machbarkeit von Projekten mit erneuerbaren Energien zu bewerten. Anreize wie der Inflation Reduction Act, H2 Global und Hydrogen Head Start unterstützen diesen weltweiten Trend.“
Die Spezialisten von thyssenkrupp Uhde in Australien haben für verschiedene Kunden und Anwendungsfälle technisch-ökonomische Studien durchgeführt, die zusammengerechnet eine potenzielle weltweite Produktionskapazität von über 30 Millionen Tonnen pro Jahr an grünem Ammoniak ergeben würden. Um den dafür notwendigen grünen Wasserstoff herzustellen, müssten Elektrolyseure in einer Größenordnung von mehr als 45 Gigawatt Leistungsaufnahme hergestellt werden, ausgelegt für recht unterschiedliche Bedingungen bei der Stromversorgung. Die Summe der Kapazitäten aus den Studien zeigt einen klaren Trend und ein deutlich gestiegenes Interesse an Ammoniak als Energievektor und bedeutet eine fundamentale Diversifizierung in seiner Nutzung.
Ammoniak ist eine der weltweit am meisten gehandelten Grundchemikalien und wird heute hauptsächlich zur Herstellung von Düngemitteln verwendet, basierend auf Erdgas als Rohstoff. Immer mehr Produzenten suchen jetzt nach Alternativen, und es gibt zwei Möglichkeiten: Die erste ist das „blaue Ammoniak“, das zwar immer noch aus Erdgas hergestellt wird, bei dem aber CO2 abgeschieden und gespeichert wird, um den CO2-Fußabdruck soweit wie möglich zu reduzieren. Erste Projekte sind bereits angelaufen, und viele Länder sehen darin einen gangbaren Weg, um die Nachhaltigkeit bereits kurzfristig zu verbessern.
Mittel- und langfristig ist eine vollständig fossilfreie Ammoniakproduktion der Schlüssel zu einer nachhaltigen Welt. Für grünes Ammoniak werden nur Wasser, Luft und erneuerbare Energie benötigt, um diese stark nachgefragte Basischemikalie CO2-frei zu produzieren. Da die Infrastruktur für die Handhabung, die Lagerung und den Transport von Ammoniak bereits weltweit vorhanden ist, kann grünes Ammoniak in den sonnigen Golfstaaten, in Australien oder in anderen Ländern produziert werden, die reich an erneuerbaren Energien sind. Dann wird es in Länder mit hohem Bedarf an erneuerbaren Energien und Wasserstoff transportiert. Dazu zählen viele europäische Länder.
Ammoniak hat eine um fast 33 Prozent höhere volumetrische Energiedichte als flüssiger Wasserstoff und ist daher effizienter und kostengünstiger zu transportieren. Darüber hinaus verflüssigt es sich bei ‑33 Grad Celsius, was leicht zu erreichen und zu halten ist – besonders im Vergleich zur Temperatur von flüssigem Wasserstoff, die mit ‑253 Grad Celsius nahe dem „absoluten Nullpunkt“ liegt.
Wenn grünes Ammoniak seinen Bestimmungsort erreicht, kann es über Ammoniak-Cracking wieder in Wasserstoff umgewandelt werden – eine Technologie, die thyssenkrupp Uhde ebenfalls anbieten kann. Das ermöglicht es, fossil- basierten Wasserstoff durch grünen Wasserstoff zu ersetzen und damit die Wertschöpfungsketten für viele Chemikalien nachhaltiger zu gestalten. Noch effizienter ist die direkte Verwendung von grünem Ammoniak, zum Beispiel in Gasturbinen zur Stromerzeugung. Dies wird bereits im Rahmen der Mitverbrennung erprobt, und auch reine Ammoniakturbinen sind in der Entwicklung.
Um auch den Transport selbst nachhaltig zu gestalten, sind immer mehr Reedereien an der Verwendung von grünem Ammoniak als Schiffstreibstoff interessiert. Bei einer vollständigen Verbrennung von Ammoniak würden nur Stickstoff (der klimaneutrale Hauptbestandteil unserer Atmosphäre) und Wasser als Emissionen entstehen. Die entsprechenden Technologien werden bereits entwickelt und angewendet. Im Vergleich zum derzeitigen Schiffstreibstoff werden bei diesem Ansatz die Emissionen von Schwefel, Ruß, Feinstaub und C02 vollständig vermieden. Daher ist Ammoniak eine passende Möglichkeit, grüne Energie und Wasserstoff dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden.