Die Marke als strategischer Faktor ist in vielen Industrieunternehmen noch mehr oder weniger unsichtbar und steckt voller ungenutzter Potenziale. Vielfach sind sich B2B-Unternehmen auch nicht bewusst, wo die Identität ihrer Marke überhaupt liegt – Markenauftritt und ‑kommunikation sind deshalb weder durchgängig noch emotional besetzt. Das Vorhandensein verschiedener starker Traditionsmarken stellt international aufgestellte Firmengruppen zusätzlich vor ganz besondere Herausforderungen. Im Rahmen der bvik-Veranstaltung bei der JOSEPH VÖGELE AG in Ludwigshafen erfuhren die Teilnehmer, wie es der WIRTGEN GROUP gelungen ist, eine neue Mehrmarkenstrategie zu entwickeln, diese in kürzester Zeit intern zu implementieren und den neuen Markenauftritt konsequent und erfolgreich über alle Kanäle zu kommunizieren.
Die WIRTGEN GROUP als international tätiger Unternehmensverbund der Baumaschinenindustrie vereint die Marken WIRTGEN, VÖGELE, HAMM, BENNIGHOVEN und KLEEMANN unter einem Dach und geht bei der Kommunikation innovative Wege. Durch die stringente Form der Markenkommunikation gelingt es der Unternehmensgruppe, Synergien zu nutzen und im Verbund neue Märkte zu erschließen.
Klare Markenpositionierung notwendig
„Ein Weltmarktführer muss Spitzenqualität ins Zentrum seines Handels setzen“, erläutert Roland Schug, Leiter Marketing der JOSEPH VÖGELE AG. Das Image eines Innovations- und Technologietreibers hilft der Gruppe und unterstützt die Produktmarken in ihren verschiedenen Segmenten. Im Gegensatz zu großen weltweit agierenden Wettbewerbern hat die WIRTGEN GROUP am Mehrmarkenkonzept und einer dezentralen Organisationsstruktur konsequent festgehalten.
Laut Dr. Joachim Kernstock vom Kompetenzzentrum für Markenführung St. Gallen (KMSG), der die Unternehmensgruppe in ihrem Prozess begleitet hat, betrage der Markenwert Studien zufolge im B2B-Bereich rund 35 Prozent des Unternehmenswertes. Eine klare Positionierung der Marke im Hinblick auf die Kundenbedürfnisse sei deshalb ein wichtiger Schritt. „Unternehmen müssen bei ihren Kunden eine stabile Wissensstruktur zu ihrer Marke aufbauen, die an den Werten der Firma ansetzt“, empfiehlt Kernstock. Dabei sei es essenziell, die Markenidentität zunächst nach innen wirken zu lassen, bevor man geschlossen damit nach außen auf den Markt treten kann.
„Close to our customers“ als Leitsatz
Gottfried Beer, Leiter Marketing der HAMM AG, dem renommierten Hersteller von Straßenwalzen, sieht in der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine die zentrale Herausforderung der Zukunft, der sich Industrieunternehmen stellen müssen. „Trotz hoher Komplexität stehen bei HAMM das Design der Produkte sowie die eingängige Bedienbarkeit im Mittelpunkt der Entwicklung“, erläutert Beer. In der Markenarchitektur der Gruppe wurden aufgrund der Heterogenität der Zielgruppen für alle Produktmarken eigene sogenannte „Markensteuerräder“ entwickelt. Diese beinhalten produktspezifische Besonderheiten, die explizit herausgearbeitet sind. Vereint werden sie durch den gemeinsamen Leitsatz „close to our customers“, der für die gelebten Werte der Unternehmensgruppe steht. Auf der bauma 2016 wurde das Ergebnis der intensiven Markenarbeit erstmals in vollem Umfang der Öffentlichkeit präsentiert. „Die Entwicklung der Mehrmarkenstrategie war sehr erfolgreich. Alle fünf Marken sind durch die WIRTGEN GROUP stärker geworden“, resümiert Beer.
Durch die professionelle und geschlossene Kommunikation der Markenwerte in der Gruppe konnten auch komplizierte Märkte in Asien erschlossen werden. In einigen Regionen übernahmen die WIRTGEN-Unternehmen sogar die Marktführerschaft. „In Märkten wie China oder Indien ist eine konsequente Markenarbeit für mittelständische Unternehmen von herausragender Bedeutung. Nur so kann eine dauerhaft starke Marktposition erzielt werden“, macht Schug deutlich, worauf es bei der Erschließung der schwer zugänglichen Märkte ankommt. Doch ausruhen kann sich die Unternehmensgruppe auf diesem Erfolg nicht, wie Dr. Joachim Kernstock erklärt: „Das Thema Markenidentität ist als fortwährender Prozess zu sehen, der sich laufend nach den neuen Anforderung des Marktes richten muss. Aus diesem Grund müssen Unternehmen ihre Strategie ständig weiterentwickeln.“
Dieser Meinung ist auch Jens Fleischer, bvik-Vorstand und Geschäftsleiter Strategie und Beratung der medienformer GmbH. Für ihn ist die erfolgreiche Markenarbeit nach wie vor eine der größten Herausforderungen für den deutschen B2B-Mittelstand. Er setzt dabei vor allem auf Emotionen und ein ganzheitliches Markenerlebnis: „Bewusstsein und Bereitschaft, sich dem Thema Marke anzunehmen, sind in den letzten zehn Jahren mächtig gewachsen. Was vielfach fehlt, sind Emotion und Leidenschaft. Markenarbeit wird immer noch mit Corporate Design und ´Made in Germany´ gleichgesetzt. Es fehlt der Mut zur emotionalen Ansprache und unverwechselbaren inneren Bildern, die die Menschen begeistern. Wir brauchen viel mehr ´Mut in Germany´ als noch mehr ´Made in Germany´.“