Messtechnik gewinnt durch steigende Anforderungen in der Armaturenbranche weiter an Bedeutung. Ihre Daten bilden die Grundlage für Automation und Industrie 4.0.
Wer nach dem Motto „Pi mal Daumen“ misst, hat schon lange keine reelle Chance mehr im hart umkämpften internationalen Wettbewerb. Vielmehr erklimmt die Messlatte bei der Messtechnik immer neue, ungeahnte Höhen. Denn nur auf Basis von präzisem und aussagekräftigem Datenmaterial lassen sich Armaturen effizient steuern und automatisieren. Für die Anwender sind die Entwicklungen bares Geld wert – und für einige Unternehmen sind verwertbare Messdaten bereits die Grundlage für das Internet der Dinge: Es werden kontinuierlich Daten gesammelt und durch intelligente Bewertung nutzbar gemacht. Dabei werden die Daten mehr und mehr mit denen aus dem Umfeld zusammengefasst.
Umsatz steigt
„Um die Sicherheit sowie Genauigkeit bei Prozessen zu gewährleisten, ist Messtechnik bei Armaturen nicht wegzudenken“, betont Alexander Lell, Entwicklungs- und Applikationsingenieur bei Rotech. Aber die Erfolgsgeschichte dieser für Armaturen wichtigen Komponente ist noch längst nicht zu Ende geschrieben. Mit steigenden Anforderungen an die Herstellung, die Sicherheit und die Prozessgenauigkeit gewinne die Messtechnik gar an Bedeutung. Und das zahlt sich aus. „Abgesehen von der leichten Krise in der Anlagenbau-Branche hat sich der Umsatz in den vergangenen Jahren definitiv erhöht“, berichtet Lell.
Der Weg bis hierhin war kein leichter, jetzt ist er aber nicht mehr umkehrbar. Anwender wie Armaturenhersteller „erkennen mittlerweile, welche messtechnischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen und wie sehr damit bestimmte Abläufe im Produktionsprozess vereinfacht bzw. beschleunigt werden können“, unterstreicht Lell. Der Trend zieht sich quer durch alle Branchen – von der chemischen Industrie über die Energiewirtschaft, Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, Raffinerien, Pharma, Wasser- und Abwasserwirtschaft bis zu Öl und Gas.
Optimaler steuern
„Energie ist der Lebensnerv einer industriellen Anlage“, betont Emerson Process Management. Sie mache nach den Ausgangsmaterialien gewöhnlich den größten Prozentsatz der Betriebskosten aus. Eine Entwicklung, die sich vor dem Hintergrund steigender Energiekosten und strikterer Emissionsvorschriften weiter verschärfen dürfte. Auf der Basis von präzisen Messdaten ließen sich Anlagen optimaler steuern – Abfälle verringern sich und die Effizienz wird parallel erhöht. Damit wiederum reduzieren sich Kosten, sinken Emissionen und steigt die Zuverlässigkeit.
Beispiel Biomasse-Kraftwerk von Enomondo S.r.l. im italienischen Faenza. Das Unternehmen nutzt Wireless-Messgeräte, um eine komplexe Kraftstoff-Vorbehandlung, einen Optimierungsprozess und einen neuen Kessel in der Anlage zu überwachen. Sie trugen zu einer Verbesserung von fünf Prozent der betrieblichen Effizienz bei. Die Diagnosedaten haben auch die vorausschauende Instandhaltung vereinfacht.
Effizienz verbessert
Bei dem Biomasse-Kraftwerk in Faenza, das bei der Caviro Destillerie für Wein und denaturierten Alkohol angesiedelt ist, werden 140.000 t/a an Abfallprodukten der Alkoholherstellung genutzt, um Strom für 29.000 Haushalte in der Nachbarschaft zu erzeugen. 48 Wireless-Messgeräte von Emerson Process Management übertragen ihre Daten über ein Wireless Gateway zu digitalen Automatisierungssystem und ermöglichen dem Personal eine bessere Einsicht in den Prozess. So können Einstellungen vorgenommen werden, um die Effizienz zu erhöhen. Enomondo war durch die dank passender Messtechnik erreichte Optimierung in der Lage, seine betriebliche Effizienz zu verbessern und die Stromlieferung zu erhöhen.
Gefordert ist die Messtechnik in vielerlei Hinsicht – sie liefert Daten zum Druck, zur Temperatur, Dichte, Konzentration, zum Durchfluss und Füllstand. Aufgaben, die sie unter anderem mit Messumformern, Schaltern, Radar, Anzeigen, Zeitrelais und Ventilsensoren erfüllt. „Die moderne digitale Signalverarbeitung ermöglicht auch die Messung kleiner Durchflüsse“, erklärt ABB. Eine Entwicklung, die den Anteil von Elektrik und Elektronik an der Anlage deutlich erhöht. Unterm Strich muss die Messtechnik problemlos handzuhaben sein, wozu ebenfalls eine benutzerfreundliche Oberfläche unverzichtbar ist. Das Display zeige, so ABB, zum Beispiel den Masse- und Volumendurchfluss, den Prozentwert vom Maximaldurchfluss und die Durchflussmenge als Balkendiagramm. Eine Digitalisierung auf Basis von Messdaten ermöglicht auch eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung von Armaturen.
Grundlage für Automatisierung
All dies erforderte beispielsweise die Premier Ölplattform an Großbritanniens Festlandsockel. Die Messtechnik ermöglicht es, die 160 Kilometer westlich von Schottland gelegene Plattform vom Onshore-Operation-Center in Aberdeen sicher und effizient zu steuern. Hierbei handelt es sich um nichts weniger als die Vision einer aus der Ferne effizient bedienten Plattform. Hierfür werden ein digitales Automatisierungssystem, ein Prozesssicherheitssystem, Messgeräte für Druck, Temperatur, Radar-Füllstand und Durchflussmessgeräte eingesetzt.
Gefragt ist ausgeklügelte Messtechnik als Grundlage der Armaturenautomatisierung. Experten sehen einen großen Anstieg bei der Automation der Ventile, Schieber und Klappen in den vergangenen Jahren. Ein Sperren, Umleiten und Drosseln von Flüssigkeiten, Gasen, Schlämmen und Dämpfen ohne Automatisierung wird zunehmend undenkbar. Wovon wiederum die Hersteller von Messtechnik profitieren.
Besonders groß ist der Bedarf an Automatisierung und damit an Messtechnik in Wachstumsmärkten wie China, Türkei, Indien und Brasilien, wo die Zahl neuer Anlagen in großen Schritten zunimmt. Auch bei den Branchen gibt es Bewegung: Erneuerbare Energien befeuern zusätzlich den Markt.
Schutz der Umwelt
Eine perfekte Automation auf Basis präziser Daten aus der Messtechnik ermöglicht sehr genau Prozesse – etwa durch die Messung des Volumendurchflusses mit einer Genauigkeit von 0,4 Prozent vom Messwert und bei der Temperatur-Messung durch eine Genauigkeit von ≤1 Grad Celsius, optimiert damit die Ausbeute und spart Rohstoffe ein. Es verbessert sich daher nicht nur die Produktivität, sondern auch der Schutz der Umwelt, weil die Gefahr von Leckagen verringert und Ressourcen geschont werden.
Auch die Risiken für Mitarbeiter werden gesenkt. Inspektionsgänge in explosionsgefährdete Produktionsumgebungen entfallen. Eine verlässliche Diagnose ist aus der Ferne möglich. Was wiederum die Personalkosten vermindert.
So können beispielsweise 16 Magnetventile durch ein Ventilsteuermodul mit Diagnosefunktionalität von Samson angesteuert und 32 Stellungsrückmeldungen von Grenzsignalgebern eingelesen werden. „Die integrierte Funktionalität zur Erfassung aussagekräftiger Zustands- und Diagnoseinformationen ermöglicht es, Auf/Zu-Armaturen ohne ‚eigene Intelligenz‘ in das Condition Monitoring der Anlage einzubinden und somit einen Beitrag zur Betriebssicherheit und effizienten Instandhaltung zu leisten, auch in explosionsgefährdeten Bereichen“, erläutert Samson.
Feldbusse zur Datenübermittlung
Automation und Messtechnik werden häufig ergänzt durch Feldbusse, die für das Vermitteln von Daten wichtig sein können. Im komplexen Maschinen und Anlage sind sie in der Regel Standard. „Gerade im Zeitalter von Industrie 4.0 kommt der industriellen Kommunikation via Feldbus und Industrial Ethernet eine wichtige Rolle zu“, erklärt „feldbusse.de“. Denn zentrales Element bei der praktischen Umsetzung von Industrie 4.0 sei die durchgängige Kommunikation aller beteiligten Maschinen und Anlagenteile sowie deren nahtlose Integration in die überlagerten Leitsysteme. „Kurz gesagt: Die Feldebene mit der IT-Welt zu verbinden.“
Rund 50 verschiedene Feldbusse und über 20 unterschiedliche Industrial-Ethernet-Standards stehen heute zur Verfügung. Wesentliche technische Unterschiede gebe es bei der erreichbaren Kabellänge, der maximalen Anzahl von Databytes je Telegramm sowie beim Funktionsumfang, erläutert feldbusse.de. „Alle Feldbusse beherrschen die Grundfunktionen: die schnelle zyklische Übertragung von Eingangs- und Ausgangsdaten.“ Weitergehende Funktionen wie Diagnose, azyklische Übertragung von Bedarfsdaten, Alarmhandling und Querverkehr zwischen den einzelnen Busteilnehmern „sind nicht bei jedem Feldbussystem möglich.“
Trend zu kabellosen Technologien
„Nachdem Feldbusse in der Verfahrenstechnik Einzug gehalten haben, steht mit Funklösungen der nächste Entwicklungsschritt in der Feldkommunikation an“, erklärt Pepperl + Fuchs Vertrieb Deutschland. Aus Sicht des Unternehmens lässt die breite Anwendung aufgrund fehlenden Vertrauens in Funktechnologie sowie des ganzheitlichen Ansatzes zunächst noch auf sich warten.
Für unmittelbar an der Prozesssteuerung beteiligte und sicherheitskritische Mess- und Steuerwerte bleibe das Kabel die erste Wahl der Signalübertragung, so Pepperl + Fuchs. Dennoch bieten sich einige Anwendungen für eine drahtlose Übertragung an – zum Beispiel für das Überwachen von manuell im Feld betätigten Bedienelementen, wie etwa Kugelhähne. „Hier wird bisher der Zustand optisch bei Kontrollgängen durch einen Mitarbeiter festgestellt“, so das Unternehmen. Durch drahtlose Übertragung der Kugelhahnposition sei der Zustand jedoch zu jeder Zeit direkt in der Leitwarte sichtbar. „Zyklische Kontrollgänge oder Bestätigung der korrekten Position vor Anlagenhochlauf werden überflüssig.“ Das spare nicht nur teure Lohnkosten, sondern die Anlage könne auch zügiger anfahren sowie schneller und länger produzieren. Das gleiche gelte für alle anderen manuell überprüften Zustandsgrößen wie Druck und Temperatur.
„Im Moment scheint die Entwicklung in Richtung kabellosen, intelligenten Technologien zu gehen“, sagt Alexander Lell, Entwicklungs- und Applikationsingenieur bei Rotech. „Wir versuchen, durch entsprechende Lösungen auf den Markt zu reagieren.“
Individuelle Messlösungen
Aber es gibt einen weiteren Trend bei der Messtechnik für Armaturen. „Für unsere Messtechniklösungen hat sich der Markt dahingehend entwickelt, dass aus Standard-Messlösungen immer mehr individuelle Messlösungen kreiert wurden“, erklärt Lell.
Und es ist nicht vermessen zu sagen, dass die Suche nach individuellen Lösungen ein Trend in den Industrieländern ist, der nicht nur bei der Herstellung von Messtechnik, sondern nahezu aller Anlagen- und Maschinenkomponenten gekommen ist, um zu bleiben. Sozusagen das Maß aller Dinge …