Bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas transportiert die Thyssengas GmbH jährlich über ein 4.200 Kilometer langes unterirdisches Transportsystem. Ein Drehkreuz für die Verteilung des Erdgases in Nordwestdeutschland ist der Standort in Ochtrup. Dort wird der Hochdruckring, ein für die Versorgung von Westfalen und dem Ruhrgebiet wichtiges Teilnetz der Thyssengas, mit Erdgas aus der Nordsee aufgespeist. Die Gasdruck-Regel- und Messanlage Wester I ist die größte und wichtigste von insgesamt drei Anlagen, in denen das Erdgas hier vor dem Weitertransport aus Sicherheitsgründen odoriert wird. Die alte Anlage hatte nur einen Odoriermittelvorrat von rund 1.600 Litern und musste an die neuen technischen Anforderungen angepasst werden. Thyssengas machte sich daher auf die Suche nach einem leistungsstarken Ersatz. Die hohen Anforderungen an die neue Anlage führten schließlich zu einer Beauftragung der Lewa GmbH, da im Zuge des Ausschreibungsverfahrens kein weiterer Hersteller die notwendige Erfahrung mit Blick auf die entsprechenden Durchsätze und die hohe Druckstufe vorweisen konnte. Die speziell für Wester I entwickelte Odorieranlage Typ OD 4200, ist mit einem Fassungsvermögen von 4.200 l die größte Anlage dieser Art in ganz Deutschland. Sie ist seit November 2015 in Betrieb und dient dazu, gegen einen Druck von bis zu 70 bar eine Gesamtmenge von einer Million Normkubikmeter Erdgas pro Stunde zu odorieren.
Im Vergleich zu anderen Versorgungsnetzen, die üblicherweise kleiner sind und einen geringeren Gasdurchsatz haben, liegt die in Wester I zu odorierende Gasmenge mit dreimal 333.333 Nm³/h außerordentlich hoch. Dementsprechend war die Entwicklung der derzeit größten Odoranlage in Deutschland eine echte Herausforderung für alle Beteiligten. Schon die Maße der OD4200 sind außergewöhnlich: Die Odorieranlage mit einer Grundfläche von 4,50 m x 1,95 m und einer Höhe von 3,10 m ist mit drei druckstoßfesten Vorratsbehältern für je 1.400 l Odoriermittel ausgestattet. So konnte das vorgehaltene Volumen von früher 1.600 l auf nun 4.200 l nahezu verdreifacht werden. „Dadurch sind wir flexibler, falls eine Lieferung ausfällt ‒ was beispielsweise schon wegen einer Schlechtwetterfront der Fall sein kann, da das von uns eingesetzte leichtflüchtige Tetrahydrothiophen (THT) als Gefahrguttransport strengen Auflagen unterliegt. Durch den zusätzlichen Vorrat sind wir nun bei derartigen Engpässen bestens abgesichert“, zeigt sich der Teamleiter bei Thyssengas und zuständige Ingenieur für den Stationsbezirk, Sebastian Drögehoff, optimistisch.
Reibungslose Umstellung trotz engem Zeitplan
Bei Planung und Umbau der Odorieranlage Wester I in Ochtrup arbeiteten der Anlagenbauer LF Service GmbH & Co. KG und Lewa Hand in Hand. Nachdem LF Service und Lewa gemeinsam mit Thyssengas die ersten Ideen ausgearbeitet hatten, entwickelte man gemeinsam, den Anforderungen entsprechend, die neue Odorieranlage OD 4200. Da es bei der Umstellung nicht zu einer Unterbrechung der Versorgung kommen durfte, mussten LF Service und Lewa einen engen Zeitplan einhalten. So baute der Anlagenbauer im ersten Schritt die alte Anlage aus und eine Übergangs-Odorieranlage für den Weiterbetrieb der Regelanlage auf. Nach Anlieferung der neuen Anlage durch Lewa, wurde diese in das Gebäude eingebracht und durch LF Service und den elektrotechnischen Dienstleister der Thyssengas in die vorhandene Anlagenstruktur integriert. Nachdem im November 2015 vor Ort letzte Tests durchgeführt wurden, ist die Anlage von einem unabhängigen Sachverständigen abgenommen worden. Im Nachgang zu der Abnahme erfolgte dann unmittelbar die erfolgreiche Inbetriebnahme.
Präzise und sichere Dosierung mit Umschaltung bei Störungen
Während in der Vergangenheit eine kombinierte Anlage mit Komponenten von unterschiedlichen Herstellern eingesetzt worden war, gab die Größe der neuen Anlage den Ausschlag für die Entscheidung, sich im Zuge der Neuanschaffung komplett auf Lewa zu verlassen. Die bis dahin eingesetzten Membranpumpen konnten die neu geforderten Mengen nicht mehr erreichen beziehungsweise umsetzen. Um die geforderten Mengen sicher und ausreichend zu odorieren, wurden diese durch vier Lewa-Dosierpumpen vom Typ Ecoflow LDB ersetzt. Ausgestattet mit einer Sandwich-Membran aus Metall und angetrieben über einen Motor mit Frequenzumrichter, bieten diese nicht nur eine hohe Dosiergenauigkeit, sondern können ‒ überwacht über einen Druckschalter ‒ bei Störungen automatisch umgeschaltet werden. „Ursprünglich hatte man nur eine Pumpe in Reserve mit einer Umschaltung vor Ort. Jetzt wechseln sich Pumpe 1 und Pumpe 4 alle einhundert Stunden als Reservepumpe ab, damit beispielsweise die Ventile nicht verkleben. Falls Unregelmäßigkeiten auftreten oder gar eine der drei Hauptpumpen ausfällt, erkennt die Elektronik dies, stellt automatisch auf die Reservepumpe um und sendet eine Meldung an die Leitzentrale der Thyssengas“, erläutert Heinz Woldering, Außendienstmitarbeiter bei Lewa, eine der zentralen Besonderheiten der Anlage.
Damit die erforderliche Konzentration des THT stimmt, wird die Dosierung über eine im Schaltschrank verbaute elektronische Steuerung geregelt und erfolgt über drei Regelschienen im Wechselbetrieb mit 16 mg/Nm³. Dazu sind in einem Standschrank mit 19“-Schwenkrahmen vier OCU-Odoriersteuerungen verbaut, die jeweils über eine kundenseitige SPS angesteuert werden, sowie je vier Netz- und Leistungsteile SPU, SIOU-Erweiterungen und Ex-Eingangskarten EXU. Der Füllstand der Vorratsbehälter, die über eine Rohrleitung miteinander verbunden sind und sich einzeln über abschließbare Kugelhähne absperren lassen, wird kontinuierlich über eine kapazitive Sonde bestimmt. Eine Magnetventilsteuerkarte verhindert durch automatisches Abschalten des Magnetventils in der Füllleitung zum Vorratsbehälter ein Überlaufen. Zudem wurden vier Durchflussmesser ZHM 01/2 81.E.I. an der Odorieranlage beziehungsweise in der Druckleitung zur Impfstelle montiert, um den Odoriermittelstrom zu erfassen.
Installation einer baugleichen Anlage im Laufe dieses Jahres
Die fluidberührten Teile sind aus 1.4404‑, 1.4571- und 316SS-Stahl, PTFE, Perfluorelastomer beziehungsweise Glas gefertigt, um die Anforderungen, zum Beispiel aus dem DVGW-Arbeitsblatt G 280–1 für Odorieranlagen zu gewährleisten. Vor Wartungsarbeiten lassen sich die Pumpenköpfe sowie die Saug- und Druckleitung über vier Spülvorrichtungen reinigen. Eine in Anlehnung an die Stahlwannenrichtlinie geprüfte Wanne unter den Behältern fängt möglicherweise austretendes Odoriermittel auf, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu verhindern. In den Belüftungsleitungen der Behälter befinden sich als Geruchssperre Aktivkohlefilter einschließlich eines Drei-Wege-Hahns für den Anschluss einer Pendelleitung. Zwischen den Behältern und den Aktivkohlefiltern sind in der Entlüftungsleitung zum Schutz vor Explosionen außerdem drei Flammschutzfilter eingebaut.
Im Nachgang zu der erfolgreichen Umsetzung der neu gebauten Odorieranlage, wurde unmittelbar eine weitere Odorieranlage vom Typ OD 4200 fertiggestellt.