In einer aktuellen Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications bieten 41 Forschende aus 17 Ländern einen Kompromiss zum kontroversen Thema Nutzung „digitaler Se-quenzinformationen“ im Rahmen des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Biodiversität) an. Die Wissensschaffenden erklären, warum eine politische Lösung für digitale Sequenzinformationen (DSI) zwingend erforderlich ist, und schlagen eine Vorgehensweise vor, der die Erhaltung der Biodiver-sität unterstützen und gleichzeitig die freie Nutzung der genetischen Daten weiterhin erlauben würde.
Sie stellen einen politischen Prozess vor, der eine positive Rückkopplungsschleife und somit Anreize für die betroffenen Länder schafft, digitale Sequenzinformationen über die dort vorhandene biologische Vielfalt zu generieren, weiterzugeben und gleichzeitig den geforderten Vorteilsausgleich zu erhalten. Die Autoren argumentieren, dass ein solches Vorgehen “multilateral” sein muss, um erfolgreich zu sein. Das bedeutet, dass die Nationen auf der ganzen Welt zusammenarbeiten und sich auf gemeinsa-me Regeln einigen müssen. Die Autoren fordern die politischen Entscheidungsträger auf, mit den For-schenden, die auf DSI angewiesen sind, bei der Entwicklung dieser multilateralen Regelung zusam-menzuarbeiten, damit eine politische Lösung die wichtige Biodiversitätsforschung nicht behindert.
“Wenn eine politische Lösung auf diesen wissenschaftli-chen Fakten beruht, kann sie den Schutz der Biodiversität, die internationale Zusammenarbeit sowie die Entwicklung fördern und gleichzeitig einen gerechten Vorteilsausgleich gewährleisten.”
— Prof. Dr. Jörg Overmann, Wissenschaftlicher Direktor
“Die biologische Vielfalt ist ein natürliches Reservoir, von dem die Sicherstellung unserer Ernährung und unserer Gesundheit als auch das Wohlbefinden im Allgemeinen abhängen. Dennoch ist sie bedroht. Um sie zu erhalten und ihren Verlust zu stoppen, sollte ein offener Zugang zu Daten für Biowissensschaffenden in Verbindung mit einer fairen und gerechten Aufteilung der Vorteile ihrer Nutzung das Kernstück einer globalen politischen Lösung sein.”, sagt Prof. Dr. Halima Benbouza, Direktorin des National Council of Scientific Research and Technologies in Algerien.
Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass dringend internationale Maßnahmen erforderlich sind, um die fortschreitende Zerstörung der biologischen Vielfalt unseres Planeten aufzuhalten. Die Ver-tragsparteien des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (CBD, https://www.cbd.int/) verhandeln derzeit über den globalen Rahmen für die Biodiversität nach 2020, der die Bemühungen zum Schutz unseres Planeten in den kommenden Jahrzehnten bestimmen wird. Es sind Meinungsverschiedenheiten darüber aufgetreten, wie Daten aus genetischen Ressourcen, die als digitale Sequenzinformationen bekannt sind, in dem neuen Rahmenwerk zu behandeln sind.
Forschende haben eine lange und erfolgreiche Geschichte des offenen Austauschs von digitalen Sequenzinformationen über wissenschaftliche Online-Datenbanken. Diese Kultur der gemeinsamen Nutzung ist ein zentrales Element der Biodiversitätsforschung und hat technologische Fortschritte in unter-schiedlichen Bereichen wie Medizin, Lebensmittelsicherheit und umweltfreundliche Energieerzeugung ermöglicht.
Online-Datenbanken enthalten digitale Sequenzinformationen von Hunderttausenden von Organismen und werden täglich erweitert. Diese weit verbreiteten Ressourcen ermöglichen die wissenschaftliche Reproduzierbarkeit, Transparenz und den Fortschritt. Die gemeinsame Nutzung von digitalen Sequenzinformationen war beispielsweise entscheidend für die schnelle Entwicklung von SARS-CoV-2-Tests und ‑Impfstoffen. “Fortschritt und Wissenschaft sind heute nur möglich, weil die Forschenden auf Daten frei zurückgreifen können!
Die Open-DSI-Revolution mit ihrem freien Datenfluss über Ländergrenzen hinweg hat zu einer Demokratisierung der wissenschaftlichen Praxis geführt und den freien Zugang zu genetischen Sequenzinformationen für die biomedizinische Forschung und die Überwachung sowie den Schutz der Biodiversität ermöglicht.”, betont Prof. Dr. Ibon Cancio von der Plentzia Marine Station (PiE-UPV/EHU), EMBRC-Spanien.