Audi treibt die nachhaltige Produktentwicklung voran und will immer mehr Kreisläufe etablieren. Die Vier Ringe erforschen gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie etwa die Recyclingfähigkeit von Werkstoffen verbessert und Primärmaterial gespart werden kann. Mit dem physikalischen Recycling testet der Hersteller in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut nun eine weitere Methode, Kunststoffe wiederzuverwerten und für den Serieneinsatz nutzbar zu machen. Mit Recycling und vielen weiteren Ideen für ein nachhaltigeres Unternehmen beschäftigen sich die Audianer und Audianerinnen im Rahmen der Audi-Umweltwoche. Die Aktion findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt und soll Vernetzung, Austausch und interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern mit dem Ziel, die Nachhaltigkeitsleistung von Audi zu verbessern.
Audi will Kreisläufe zum festen Bestandteil der automobilen Wertschöpfungskette machen. Für immer mehr Materialien und Bauteile startet das Unternehmen Pilotprojekte zur Wiederaufbereitung. Es sollen Erfahrungen in möglichst vielen Aufbereitungstechniken gesammelt und daraus Ableitungen für zukünftige Einsatzzwecke einzelner Rohstoffe getroffen werden. Materialkreisläufe haben mehrere Vorteile: Zum einen wird der Bedarf an nachwachsenden und fossilen Rohstoffen reduziert. Zum anderen zeigen Werkstoffe, die auf Materialkreisläufen basieren, eine günstigere Energiebilanz. Auch die für das Recycling benötigte Energie haben die Vier Ringe dabei fest im Blick – was ökologisch nicht sinnvoll ist, wird nach der Pilotphase nicht weiterverfolgt. Zudem erhöht sich durch immer effizientere Recyclingmethoden die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens insgesamt.
Verschiedene Recyclingmethoden für verschiedene Kunststofftypen
Da sich nicht alle Kunststofftypen gleich gut oder gar auf die gleiche Weise sortieren und recyceln lassen, betrachten die Vier Ringe verschiedene Techniken parallel: mechanisches, chemisches und seit Neustem auch physikalisches Recycling.
Die Vision von Audi ist es, immer mehr Materialien für den vielfältigen und anspruchsvollen Einsatz im Auto zu qualifizieren und die optimalen Aufbereitungs- und Recyclingtechniken zu identifizieren, um Kreisläufe schließen zu können.
„Dabei liegt unser Fokus auch immer darauf, möglichst viele Kunststoffumfänge beim End of Life aus dem Auto wieder herauszubekommen, um sie erneut recyceln zu können“, sagt Mike Herbig, aus dem Polymer-Team bei Audi.
Üblicherweise enthalten Fahrzeuge heutzutage mehr als 200 Kilogramm diverser Kunststoffe und Kunststoffverbundwerkstoffe. Stoßfänger, Kühlerschutzgitter, verschiedene Interieurteile, aber auch Bauteile im Antrieb und der Klimatisierung werden daraus gefertigt. Diese teilweise nicht sortenreinen Kunststoffabfälle werden zunächst mechanisch zerkleinert und von anderen Stoffen getrennt. Anschließend können sie in einem weiteren Prozess erneut zu Kunststoffgranulat verarbeitet werden.
Gleiche Anforderungen für Bauteile aus Rezyklat und Neuware
Die qualitativen Anforderungen an die Kunststoffe sind dabei hoch. Für Rezyklatbauteile gelten dieselben Kriterien wie für Neuware. Dazu zählen Crash-Sicherheit, Hitzebeständigkeit, Medienbeständigkeit zum Beispiel gegen organische Lösungsmittel, Öl oder Hydraulikflüssigkeiten. Dazu kommen Formstabilität und Qualität, Haptik, Optik und Geruch über die gesamte Fahrzeug-Lebensdauer. In zunehmendem Maße sind auch Umweltanforderungen zu berücksichtigen. Mike Herbig: „Wir setzen einen Rezyklatwerkstoff nur dann ein, wenn die daraus hergestellten Bauteile die Anforderungen auch erfüllen, also die Qualität der Teile auch über die gesamte Nutzungsdauer hinweg gleich bleibt.“
Das mechanische Recycling von Plastik stößt dort an seine Grenzen, wo verschiedene Kunststoffe im Verbund verarbeitet werden und diverse Kleber, Lacke und Füllstoffe wie etwa Glasfasern zum Einsatz kommen. Zudem sinkt die Qualität der Kunststoffe mit jedem mechanischen Aufbereitungsschritt. Sie können in der Regel nicht mehr im Fahrzeugbau und insbesondere nicht für sicherheitsrelevante Bauteile verwendet werden.
Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Partnern aus der Industrie hat Audi zusätzlich eine chemische Recyclingmethode entwickelt. Dabei werden gemischte Kunststoffabfälle zu Pyrolyseöl verarbeitet. Das Pyrolyseöl kann Erdöl als Rohstoff für die Produktion von hochwertigen Kunststoffen ersetzen. Die so hergestellten Bauteile sind genauso wertig und sicher wie aus Neuware hergestellt.
Machbarkeitsstudie physikalisches Recycling
Ergänzend zu den Forschungsprojekten zum mechanischen und chemischen Recycling untersucht Audi in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV im Rahmen einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten des physikalischen Recyclings von automobilen Kunststoffabfällen und den Wiedereinsatz im Fahrzeug. Bei dieser Methode kann mit deutlich höheren Verschmutzungsgraden der Kunststoffe gearbeitet werden, sodass eine einfache und unvollständige Vorsortierung aus dem Altfahrzeug ausreicht.
Anders als beim chemischen Recycling wird der Kunststoff beim physikalischen nicht zerstört. Vielmehr wird er mit Lösemitteln aufgelöst. Es findet also keine chemische Abbaureaktion statt und die Polymerketten bleiben unbeschadet.
„Als Lösemittel werden ausschließlich Stoffe eingesetzt, die absolut ungefährlich sind“, erklärt Dr. Martin Schlummer vom Fraunhofer IVV. „Andere Feststoffe, die für das neue Endprodukt störend sein könnten, werden abgetrennt.“
Auch mitgelöste Substanzen wie etwa Flammschutzmittel können bei Bedarf aus der Kunststofflösung gelöst werden. Die verwendeten Lösemittel werden schließlich verdampft und ebenfalls im Kreislauf geführt. Nach der Trocknung entsteht somit ein sehr reines Kunststoffgranulat auf dem Qualitätsniveau von Neuware.
Ziel ist es nun, größere Mengen dieses Granulats herzustellen, um die technische Machbarkeit abzusichern und die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Für weitere Tests sollen in einem nächsten Schritt aus dem ‚Kunststoff mit Vergangenheit‘ Anbauteile wie etwa der Sitzhöhenversteller werden. Dabei handelt es sich um ein kleines Bauteil, das jedoch hohe Ansprüche an Emissionen und Geruch erfüllen muss. In Zukunft sollen die verschiedenen Recyclingtechnologien bei Audi einander ergänzend eingesetzt werden, um Kunststoffe aus Altfahrzeugen für den hochwertigen Wiedereinsatz zurückzugewinnen.
Rezyklatanteil im Fahrzeug weiter erhöhen
Perspektivisch will Audi den Anteil von Rezyklaten im Fahrzeug weiter erhöhen. Bereits jetzt stecken in einem Audi Q4 e‑tron bis zu 27 Bauteile mit Rezyklatanteil. Im Exterieur handelt es sich um Komponenten wie den Montageträger, ein Bauteil, das besonders hohe Anforderungen hinsichtlich mechanischer Eigenschaften erfüllen muss. Außerdem bestehen die Scheinwerferaufnahmen, die Radschlaufen, die Kotflügelabdeckungen, die Bodenverkleidung und die Radspoiler zu einem großen Anteil aus Sekundärrohstoffen.
Im Interieur des Audi Q4 e‑tron werden Rezyklate in Dämmungs- und Dämpfungsmaterialien eingesetzt. Darüber hinaus enthalten viele sichtbare Oberflächen wiederverwertete Materialien. Dazu gehören beispielsweise der Bodenbelag und Teile der Gepäckraumauskleidung. Im Interieur S line dient das Mikrofasermaterial Dinamica im Zusammenspiel mit Kunstleder als Bezug für die Sportsitze. Dinamica besteht zu 45 Prozent aus Polyesterfasern, erinnert optisch und haptisch jedoch an Veloursleder. Die Fasern werden aus mechanisch recycelten PET-Flaschen, ehemaligen Textilien oder Faserresten gewonnen.
Audi-Umweltwoche fördert interdisziplinären Austausch
Bereits zum zweiten Mal richtet Audi die Umweltwoche aus: Das interaktive Format fördert Wissenstransfer und soll dazu anregen, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Mehr als 50 Vorträge von Mitarbeitenden für Mitarbeitende sowie Expertengespräche zu Umweltschutz, Recycling, CO2-Reduzierung, Wassersparen und Ernährung kombiniert mit spielerischen Herausforderungen und Mitmach-Aktionen bilden die Basis der Umweltwoche. Rüdiger Recknagel, Leiter Umweltschutz, sagt: „Das Motto der Umweltwoche ist ‚Mach es zu Deiner Mission – immer‘. Nachhaltigkeit hat bei uns Priorität.