Der Coburger Informatik-Student Andreas Scharf nutzt Mikrocomputer, um die Hochbehälter der Wasserwirtschaft zu vernetzen. So wurde er in Unterfranken zum Unternehmensgründer. Wasser ist eine der kostbarsten Ressourcen des blauen Planeten. Die Wasserwerke von Städten und Gemeinden messen heute in ihren Anlagen alle relevanten Daten, um Versorgung und Qualität sicherzustellen, und das passiert inzwischen meist digital. Allerdings nur stationär vor Ort. Nicht vernetzt.
„Menschen steuern ihre Kaffeemaschine und das Licht übers Handy. Aber für den Hochbehälter der Gemeinde, der das Trinkwasser speichert und ein paar Millionen Euro gekostet hat: Für den gibt’s keine ordentliche App!“
— Andreas Scharf
Der Student fand es unglaublich, dass ein Wasserwart oder eine Wasserwartin den Stand nicht jederzeit online sehen kann. Also hat er selbst eine bezahlbare, moderne Lösung für Kommunen entwickelt. Das war die Basis für die Gründung seiner Firma frapp.
Wasserwerke in aller Welt
Neben seinem Studium an der Hochschule Coburg arbeitete Scharf bei Energie- und Wasser-Technologie EnWaT, einem Wasseranlagenbauer aus dem fränkischen Stettfeld (Kreis Haßberge), zu dessen Kunden Industriebetriebe und Kommunen in der ganzen Welt zählen — mit unterschiedlichen, sehr individuellen Bedürfnissen, Schwerpunkten und Problemen. Ist irgendwo ein Leck, hat das Nachfüllen in der Nacht vielleicht nicht geklappt? Wie ist jetzt in diesem Moment der Wasserstand? Oder eine Frage, die für Gesundheitsämter besonders entscheidend ist: Wie ist die Temperaturentwicklung? Um so etwas zu überprüfen, gibt es oft nur eine Möglichkeit: ab ins Auto, zum Hochbehälter fahren. Bei EnWaT sei die Digitalisierung der Wasseraufbereitungs- und Versorgungsanlagen sehr innovativ diskutiert worden, erklärt Scharf. „Es ist nicht so, dass es gar keine Apps gibt. Die großen Steuerungsanlagenhersteller bieten zum Beispiel Software zur Visualisierung der Daten an. Aber was bedeutet es dann, wenn eine Kurve einbricht? Das ist es, was die Kommunen brauchen.“ Und das war Scharfs Ansatz: „Ich bringe die Daten auf dein Handy und sage dir auch, was du damit anfangen kannst.“
Angewandte Wissenschaft
Die Grundlagen des Programmierens hat er sich als Jugendlicher selbst beigebracht. „Daheim lag ein Buch über Java rum – das habe ich dann mal ausprobiert.“ Damals ging er auf die Realschule, wechselte dann an die FOS, machte 2018 Abi und begann gleich danach das Bachelorstudium der Informatik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg. Im Rahmen der Veranstaltung Communication Systems besuchte Scharf einen IoT-Workshop bei Prof. Dr. Matthias Mörz und beschäftigte sich dabei genau mit dem Thema, das den Wasserwerken fehlt. IoT, das Internet of things, ermöglicht es, physische und virtuelle Objekte miteinander zu vernetzen.
Also zum Beispiel den Hochwasserbehälter und die App auf dem Handy. Mörz gefällt die Lösung seines Studenten: „Es ist einfach schön zu sehen, wie er den Grundgedanken der angewandten Wissenschaften lebt“, sagt der Professor. Die Technik von Scharfs „HBBox“ zur Hochbehälterdigitalisierung besteht insbesondere aus einer Platine, die Informationen aus den vorhandenen Industriesensoren für Mikrocomputer übersetzt. Sie ermöglicht, dass die Daten über Mobilfunk oder den freien Funkstandard LoRaWan in einer Cloud gespeichert werden und beispielsweise bei besonderen Ereignissen eine Push-Nachricht in der App aufpoppt. „Die Gemeinde hat jederzeit Zugriff auf die Daten – unabhängig davon, wo sich die Mitarbeitenden gerade aufhalten. Unregelmäßigkeiten können gleich erkannt werden“, sagt Mörz. Die Digitalisierung trägt dazu bei, Wasserverluste zu vermeiden.
Hochbehälter in der Hosentasche
Der Hochwasserbehälter von Scharfs Heimatgemeinde zum Beispiel ist voll vernetzt. Scharf hat von Coburg aus Zugriff darauf. Er schaut aufs Handy, runzelt die Stirn „Da geht gerade viel raus für die Mittagszeit. Vielleicht ein Löscheinsatz.“ Das Wasserwerk weiß auf jeden Fall Bescheid: Was wann fließt, ist in Stettfeld absolut transparent. Scharf brachte den Hochbehälter in die Hosentasche. EnWaT, die Firma, in der er als Werksstudent viel Input zur Anlagentechnik bekommen hat, ist inzwischen sein Kunde und so kam Scharfs Digitalisierungstechnik auch beim Hochwasser im Ahrtal 2021 zum Einsatz, als das Unternehmen dort ein mobiles Wasserwerk in einem Schiffscontainer einsetzte. Seine eigene Firma frapp hat Scharf 2020 gegründet. Er zuckt die Schultern: „Der erste Corona-Sommer. Da hat man ja sonst nicht viel zu tun gehabt.“ Damals war er 19. Heute denkt er über weitere Einsatzfelder seiner HBBox nach: „Wir können nicht nur im Bereich Trinkwasser digitalisieren. Kläranlagen könnte ich auch abdecken.“